Hoffnung auf Frieden

Aus: junge Welt,Ausgabe vom 12.09.2016, Seite 1 / Titel

Russland und USA vereinbaren Waffenstillstand in Syrien. »Freie Syrische Armee« verweigert Trennung von Dschihadisten

Von Karin Leukefeld, Damaskus
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Aleppo am 10. September: Rettungssanitäter tragen eine Frau aus einem eingestürzten Haus

Die Außenminister Russlands und der USA haben erneut eine »Einstellung der Feindseligkeiten« für Syrien ausgehandelt.

Fünf Dokumente bilden die Grundlage des Abkommens, das von den syrischen Akteuren und ihren jeweiligen Unterstützern einschließlich der auswärtigen regionalen Kriegsparteien wie Türkei, Saudi-Arabien oder Katar umgesetzt werden muss.

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow hatten am frühen Samstag morgen mitgeteilt, dass mit dem Beginn des muslimischen Opferfestes Eid Al-Adha am Montag eine Feuerpause für zunächst 48 Stunden beginnen werde, die dann auf sieben Tage verlängert werden solle. Wird die Feuerpause eingehalten, wollen die USA und Russland im Kampf gegen die Al-Nusra-Front (die sich kürzlich in Dschabha Fatah Al-Scham, »Front zur Eroberung von Syrien«, umbenannt hat) kooperieren und ein gemeinsames militärisches Operationszentrum einrichten.

Geplant ist, dass russische und US-amerikanische Geheimdienstvertreter erst einmal versuchen, von Al-Nusra gehaltene Gebiete von solchen zu unterscheiden, in denen die im westlichen Sprachgebrauch als »moderat« bezeichneten Oppositionsgruppen operieren. Bisher hatten sich die »moderaten« Kampfgruppen allerdings nicht von den Islamisten, die bis zu ihrer Umbenennung als syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida firmierten, abgesetzt. Vielmehr hatten sie, wie zuletzt in Aleppo, ihre Angriffe koordiniert.

In Gebieten »unter Kontrolle der moderaten Opposition« soll es der syrischen Luftwaffe untersagt werden, Angriffe zu fliegen, erklärte Kerry. Die innersyrischen Gespräche in Genf, die unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfinden, sollen wiederaufgenommen werden. »Trotz Misstrauens und Versuchen, unsere Vereinbarung zum Scheitern zu bringen, haben wir es geschafft, ein Gesamtpaket von fünf Dokumenten zu schnüren«, bilanzierte Lawrow.

Die syrische Regierung erklärte am Samstag ihre Zustimmung zu dem Plan. Die Armee werde ihre Kampfhandlungen am Montag einstellen. Die wichtige Verbindungslinie über die Castello-Straße im Norden von Aleppo werde für Hilfskonvois in die Stadt geöffnet. Im Mittelpunkt stehe die politische Lösung des Konflikts.

Das von Saudi-Arabien, Katar, der Türkei, der EU und den USA unterstützte Oppositionsbündnis »Hoher Verhandlungsrat« (HNC) erklärte, dafür sorgen zu wollen, dass sich die »moderaten« Oppositionsgruppen neu organisierten und von den Al-Qaida-Kräften distanzierten. Doch Fares Al-Bajusch, Kommandant der »Freien Syrischen Armee« (FSA), sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine Trennung von Al-Nusra beziehungsweise Fatah Al-Scham sei »nicht möglich«. Sie nehme »an den meisten militärischen Operationen teil«, und etliche Kampfgruppen hätten sich mit ihr zusammengeschlossen.

Michael Ratney, der US-Botschafter für Syrien, forderte die »bewaffneten syrischen Oppositionsgruppen« in einem Schreiben auf, sich von Fatah Al-Scham fernzuhalten. Brisant ist ein weiterer Satz Ratneys: Sollte die syrische oder die russische Luftwaffe weiter Angriffe in Zonen fliegen, von denen das Zentrum für die Umsetzung der Beschlüsse festlegt, dass sie unter Kontrolle der »moderaten« Oppositionellen stehen, könnten diese »zur Selbstverteidigung« Gegenangriffe ausführen.

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