Nachlese: Friedenspolitik geht uns alle an! Vortrag von und Gespräch mit Andreas Zumach

Friedenspolitik geht uns alle an!

Vortrag von und Gespräch mit Andreas Zumach

2-3-2020 FH Joanneum, Graz, Alte Poststr. 149.

Veranstaltet von: Südwind Steiermark, Attac Graz, Pax Christi, KPÖ Bildungsverein

Auf Einladung der Friedensplattform Steiermark sprach Andreas Zumach im Hörsaal der FH vor 40 BesucherInnen, davon ca. 20 StudentInnen, des Journalistik-Lehrganges der FH.

Andreas Zumach beginnt seinen Vortrag damit, dass es keine dummen Fragen gibt. Um der Wahrheit so weit wie möglich nahe zu kommen, muss man fragen und wieder fragen und gegenchecken.

Inhaltlich ist sein Thema „Die aktuellen friedenspolitischen Herausforderungen“.

Seit 1989 haben sich die Rahmenbedingungen verändert und zwar:

Die Macht der USA hat sich verringert, dagegen wächst Chinas Macht stetig.

Russland wurde von NATO und EU hintergangen, nämlich durch den Bruch des Versprechens, die NATO nicht auszuweiten, lange verhielt sich Russland dazu ruhig, jetzt wird es wieder zum Player.

Global gibt es die Erwärmung, Umweltprobleme und wachsendes Umweltbewusstsein, Coronavirus.

Islamistisch „gerechtfertigter“ Terror: Der 2001 von Bush begonnene ´Krieg gegen Terrorismus´ ist restlos gescheitert, trotzdem denkt man nicht ans Aufhören.

Seit 2010 gibt es den Krisenbogen Marokko bis Pakistan. Das ist die Region, in der es seit dem 2. Weltkrieg die meisten Konflikte gibt, 95% der islamistischen Terroranschläge finden hier statt, die meisten Flüchtlinge kommen von hier. Hier liegt eine große Herausforderung.

Dann erklärt Zumach, dass der Grund dafür bis 300 Jahre zurück liegt. Er erinnert daran, dass die USA von ´Wirtschaftsflüchtlingen´ gegründet wurde.  Sowohl in den USA als auch in Europa gab es drei wesentliche Entwicklungen: 1. Konnte man sich im Lauf der Jahrhunderte nach blutigen Kriegen schließlich über Grenzziehungen einigen.  2. entstanden funktionierende Volkswirtschaften, was zu relativem Wohlstand führte. Und 3. entwickelten sich stabile, politische Demokratien mit einem klaren Gewaltmonopol beim Staat. Im Gegensatz dazu haben die Länder des Krisenbogens all das nicht erreicht, weil sie Kolonien waren. 1945 wurden zwar Grenzen gezogen, aber es wurde ihnen keine selbständige Entwicklung erlaubt. Warum? Weil wir immer einen verlässlichen Ölpartner suchten. Dies war der Shah von Persien bis September 1979, dann war es Saddam Hussein, der beim Krieg gegen den Iran von allen Seiten mit Waffen beliefert wurde. Anschließend kam Saudi-Arabien daran und es stört uns nicht, dass dort ein wahhabitisches Unterdrückungssystem herrscht.

Wir rechtfertigen uns mit dem Vorwand, dass wir für Stabilität sorgen, was die Wut vieler junger Menschen in diesen Ländern entfacht und den einzigen Ausweg bietet ihnen die Religion.

Eine wichtige Frage lautet, was Europa tun kann, um wirklich zu stabilisieren.

Was macht Europa? Europa taumelt. Das vielgebrauchte Schlagwort ´Global player werden´ ist eine gefährliche Phrase und dient zur Militarisierung. DIE EU IST (gegen außen) KEIN FRIEDENSPROJEKT, der relative Machtabstieg der USA wird als Argument zur  Aufrüstung Europas herangezogen, Europa zeigte immer ein aggressives Verhalten gegen den globalen Süden, die sogenannten Europäischen Partnerschaftsabkommen sind nur vorteilhaft für Europa.   Die Erhöhung der Entwicklungshilfe sei nicht die Lösung, diese liege nur in der Herstellung fairer Wirtschafts- und Handelbeziehungen. Auch das Schlagwort ´Klimakanzlerin Merkel´ ist schlichtweg falsch. Europa handle ebenso machtpolitisch- interessensgeleitet wie die USA.

Abschließend warnt er vor dem Argument, dass die ´Welt unübersichtlich sei. Dem ist nicht so, nur wenn wir eine kritische analytische Haltung einnehmen, sind wir nicht anfällig für die uns umgebenden Fehlinformationen.

Wir müssen widersprechen und Widerstand leisten.

Unsere Leitlinie muss die Menschenrechtskonvention sein. Sie ist eine große Errungenschaft der Menschheit aus der bitteren Lehre des 2. Weltkrieges. Daran müssen wir festhalten, sie „mit Zähnen und Klauen verteidigen“ und bei allen Konflikten anwenden.

Auf die Frage zur aktuellen Situation in Syrien versucht Zumach, die Komplexität kurz darzustellen. 2016 wurden die Menschen aus Ost-Aleppo, unter der Annahme, dass sie alle Islamisten seien, nach Idlib umgesiedelt, leider mit Zustimmung der UNO. Dass es in Idlib zum Konflikt kommen musste, war klar, es ist jetzt die letzte Schlacht für Assad, Erdogan – er führt weiterhin Krieg gegen die Kurden – ist der Angreifer in Syrien und EU und USA unterstützen diesen völkerrechtwidrigen Angreifer.

Auf die Frage, wie die Medien unser Bewusstsein von diesen Konflikt beeinflussen sagt Zumach, dass es kaum internationale Journalisten vor Ort gibt, da viele ums Leben kamen. Er erzählt von Vietnam, wie lange die Nachrichten dauerten und wie gut die Journalisten dadurch recherchieren konnten, was zu Hause zum Widerstand bzw. Ende des Vietnam-Krieges führte. Heute dagegen muss die Nachricht schnell sein, schneller als die Konkurrenz und wenn sie falsch ist, macht das nichts. Andreas schlägt Entschleunigung vor, Recherche zu den Fotos, macht auf die Mitverantwortung der User aufmerksam. Es gibt unabhängige Plattformen aber auch die tun sich schwer.

Zur Frage, ob Friedensbewegung und Umweltbewegung vereinbar sind, antwortet er, dass es diese Zusammenarbeit in Deutschland bei den historischen Bewegungen immer gab, etwa in der Anti-Atombewegung. Er spricht über die wissenschaftlich bewiesenen Fakten zur Klimakrise und stellt dem die Vorhersagen gegenüber, dass es 2007-2008 eine furchtbare Trockenheit in Syrien gab, was 1 Mio Menschen zur Flucht vom Dorf in die Stadt veranlasste und daraus entstand eine Theorie, die sagt, die Unzufriedenheit von 2011 basierte darauf, es ist eine Theorie, die stimmen kann oder auch nicht.

Dann spricht er vom Vorsorgeprinzip, welches in der EU-Verfassung festgelegt ist. Das heißt, dass es für die Politik etwa in der Klima-Frage auch dann eine Pflicht zur CO2-Reduktion gibt, wenn der allerletzte Beweis für die menschengemachte Ursache noch immer angezweifelt werden kann. Auf eine entsprechende Frage hin, sieht er das Vorsorgeprinzip derzeit auch bei der von starken Wirtschafts- und Politiklobbys rasant vorangetriebenen Einführung des 5G-Mobilfunkstandards verletzt. In der Schweiz gebe es hier aber durch ein Moratorium einen vorläufigen Erfolg der Bürgerbewegung.

 

´Fridays for future ´sieht er sehr positiv und er hofft nur, dass sich die jungen Menschen nicht von den PolitikerInnen vereinnahmen lassen. Er erwähnt auch noch, wir dürfen den jungen Menschen nicht erklären, wie es geht. Denn es gibt heute so viele Herausforderungen – viel mehr als in unserer Jugend – und das kann lähmend wirken, also wenn sich Jugendlich engagieren, müssen wir darüber glücklich sein.

 

Zur Frage, welche Erfolgsgeschichten bezüglich Abrüstung er nennen kann, spricht er vom UN Vorschlag des generellen Verbotes der Atomwaffen vom Juli 2017, woran Österreich maßgeblich beteiligt war und der Widerstand der Atomwaffenländer groß war. Ein großer Erfolg war auch das Verbot der Anti-Personenminen (auch wenn wichtige Staaten wie die USA, Russland, China, Indien, Ägypten, Israel, Saudi Arabien und der Iran diesem Vertrag nicht beigetreten sind). Jedenfalls ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass alle bisherigen Erfolge nur durch die Zivilgesellschaft erreicht wurden.

Das Völkerrecht wurde von Europa oft gebrochen (Jugoslawien) aber auch Russland hat es getan. Im Nahen Osten geschieht es ständig. Deutlich werde das etwa derzeit an der Palästina Politik Israels und der USA (Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, Anerkennung der Annexion des Golan durch USA – UNRWA-Geldentzug -ist keine direkte Völkerrechtsverletzung aber indirekt -; USA verändert Regierungsdokumente vom wording ´opt = occupied palestinian territories auf ´disputed territories´).

 

Auf die Frage, ob er Hoffnung für Palästina Israel sieht, verweist er auf die Gespräche in der Schweiz im Jahr 2003. In der sogenannten Genfer Initiative hatten einflussreiche Alt Politikerinnen beider Seiten umfassende Lösungsvorschläge selbst für die schwierigsten Problem erarbeitet (anders als im Oslo-Friedensprozeß, wo man die schwierigen Fragen auf später verschoben hat). Leider kam es nicht zur Ausführung.

 

Die letzte Frage lautet, wie er nach so vielen Jahren nicht den Mut verliert und da erzählt er von seiner Prägung als Jugendlicher in den USA. Die mexikanischen Farmworkers unter Cesar Chavez haben ihn geprägt und er sagt, wenn diese Menschen es schafften zu kämpfen, kann und darf er niemals den Mut verlieren.

Bericht: Franz Sölkner /  Christine Hödl

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