Kurzsichtig – Leserbrief zu KlZtg am 29.12

Stefan Winklers Leitartikel zeigt ein eurozentristisches Elitendenken. Er feiert die unter Trump zustandegekommenen „Friedensverträge“ der Regierung Netanjahu  mit einigen arabischen Feudaldiktaturen. Dass diese auf Kosten des palästinensischen Volkes abgeschlossen wurden, bleibt unerwähnt. Ebenso das durch Meinungsumfagen belegte Faktum, dass dieser Verrat an den palästinensischen Rechten in allen arabischen Staaten von einer klaren Mehrheit der Menschen abgelehnt wird.

Gegen die Interessen der  unmittelbar betroffenen Opfer dieses „oberflächlichen Friedens der Eliten“ und gegen den Willen der arabischen Massen lässt sich aber kein dauerhafter Friede gestalten, auch nicht unter dem Machtschirm der USA. Die meisten arabischen Staaten, haben riesige ungelöste soziale und politische Probleme. Schon die  nächsten Schübe von arabischen Aufständen könnte diese Despotien stürzen. Karim El-Gawhary beschreibt dieses wahrscheinliche Szenario überzeugend in seinem jüngsten Buch „Repression und Rebellion. Arabische Revolution – was nun?“. Israel wird dann erneut gezwungen sein, auf sein eigenes ungelöstes Grundproblem hinzuschauen, den berechtigten anhaltende Widerstand der AraberInnen Palästinas gegen den Landraub, die brutale Unterdrückung ihrer politischen Rechte und seinen eigenen, nicht  gegebenen friedlichen Ausgleich mit seinen muslimisch-arabischen Nachbarschaften.
Ein vergleichbares Manko des europäischen Blicks auf den Nahen Osten zeigt auch die Karte auf Seite 8 über die „Kriegsschauplätze weltweit“. Israel/Palästina ist dabei als von bewaffneten Konflikten unberührt ausgewiesen. So als wäre der unendliche Konflikt um das Land bereits gelöst, gäbe es nicht seit Jahrzehnten eine militärische Besatzung  palästinensischer Territorien  und hätte Israel mit aller Härte nicht erst 2008/2009, 2012 und 2014 seine überlegene Militärmacht  gegen die eingeschlossene Bevölkerung von Gaza zum Einsatz gebracht.

Will sie dem Vorwurf der einseitigen Information ihrer LeserInnen entgehen, so ist der außenpolitischen Redaktion der Kleinen Zeitung dringend anzuraten, ihren hier sichtbar gewordenen verengten und zu wenig tiefgründigen Blick auf außereuropäische Konfliktfelder nachzuschärfen.

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Mit freundlichen Grüßen,

Franz Sölkner

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