Gerüchte um Angriffstermin
Spekulationen über israelische Attacken gegen Iran im Frühjahr http://www.jungewelt.de/2012/02-06/033.php
Neue Gerüchte über israelische Angriffspläne gegen Iran machen weltweit
die Runde. Noch vor dem Sommer soll es soweit sein, behauptete David
Ignatius, Redakteur und Kolumnist der Washington Post, am Donnerstag.
Ohne Angabe seiner Quelle schrieb er dort: »US-Verteidigungsminister
Panetta glaubt, daß Israel mit hoher Wahrscheinlichkeit im April, Mai
oder Juni zuschlagen werde, bevor Iran das erreicht, was Israel als
›Zone der Immunität‹ für den Start der Konstruktion einer Atombombe
bezeichnet. Die Israelis fürchten, daß die Iraner sehr bald genug
angereichertes Uran in unterirdischen Anlagen gespeichert haben, um eine
Waffe herzustellen – und daß dann nur noch die USA sie mit militärischen
Mitteln aufhalten könnten.« Nach diesem Artikel befragt, versuchte
Panetta zunächst, einer Antwort auszuweichen, und sagte schließlich nur:
»Sie wissen ja, daß die Israelis darüber nachdenken und daß wir ihnen
unsere Bedenken verdeutlicht haben.«
Die »Zone der Immunität« ist ein erst in jüngster Zeit kreierter
israelischer Propagandabegriff. Er hat das früher gebräuchliche »Point
of no Return« (wörtlich: Punkt ohne Rückkehr) abgelöst, das den
Zeitpunkt bezeichnen sollte, ab dem ein militärisches Aufhalten der
angeblichen iranischen Atomwaffenpläne nicht mehr möglich sei. Dieser
»Punkt« wurde in den vergangenen zwölf Jahren immer wieder verschoben.
Entsprechend lang ist die Liste der israelischen und US-amerikanischen
Angriffstermine, die im Laufe der Zeit in den Medien gehandelt wurden.
Der »Zone der Immunität« könnte es ähnlich ergehen.
Letztlich müssen solche Gerüchte immer irgendeinen Ursprung haben. Nach
Lage der Dinge können die zugrundeliegenden Informationen oder auch
Desinformationen nur aus den Geheimdienst- und Militärapparaten der
beteiligten Länder stammen. Die Frage ist, mit welchen Absichten und zu
welchen Zwecken sie in die Welt gesetzt werden.
Am Freitag sah sich das Moskauer Außenministerium genötigt, sich mit
einer offiziellen Stellungnahme ausdrücklich von einem Gerücht zu
distanzieren, das die russische Zeitschrift Argumenty Nedeli unter
Berufung auf anonyme Insiderquellen verbreitet hatte. Angeblich, so das
Blatt, werde zwischen Washington und Moskau ein politisches
Tauschgeschäft verhandelt: Rußland werde grünes Licht für
US-amerikanische Militäroperationen gegen Iran geben, und der Westen
wolle dafür auf eine Intervention in Syrien verzichten. »Nichts kann von
der Wahrheit weiter entfernt sein«, erklärte dazu das russische
Außenministerium auf seiner Website.
Chefredakteur der Argumenty Nedeli ist Andrei Uglanow. Sein Name machte
schon im Frühjahr 2007 weltweit die Runde: Im März jenes Jahres sagte er
voraus, daß die USA am 6. April mit Luftangriffen gegen den Iran
beginnen würden. Sogar die genaue Zeit, vier Uhr morgens, behauptete er
zu kennen. Leichtgläubige Blogger und Journalisten sorgten für maximale
Verbreitung des Gerüchts. Zwei Jahre später wiederholte Uglanow die
Farce. Nun nannte er als feststehenden Angriffstermin den 30. Oktober
2009, drei Uhr morgens. Angeblich hatte er die Information von anonymen
russischen Militärexperten erhalten, die dem Generalstab der
Streitkräfte nahestünden.
Niemand wird vernünftigerweise kategorisch ausschließen, daß so ein
Gerücht irgendwann einmal auch stimmen könnte. Trotzdem sollte im
aktuellen Fall bedacht werden: Erstens, die Behauptungen Tel Avivs über
ein »Zeitfenster« für Militäraktionen gegen die iranischen Atomanlagen,
das sich gegenwärtig ganz rasch schließe, sind reine Propaganda.
Zweitens: Wesentliche Teile der israelischen Raketenabwehr können
frühestens Ende des Jahren stationiert werden. Auch die Kooperation mit
den USA auf diesem Gebiet soll noch optimiert werden. Drittens: Israel
ist, wie das Ressort für Landesverteidigung gerade am Wochenende
feststellte, für den Schutz seiner Städte unzureichend vorbereitet. Die
jetzt vom Ministerium geforderten Investitionen werden jedoch erst in
einigen Jahren wirken.
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