Jürgen Heiducoff Die Lektion von Panjwai:

Krieg ist immer ein Verbrechen! 19.03.2012

Im Panjwai–Distrikt im Süden Afghanistans sind schlafende Bewohner in ihren Häusern ermordet worden. Dieses Verbrechen soll als die Tat eines einzelnen verwirrten US-Soldaten herabgespielt werden. Als sei ein einzelner Soldat in der Lage, sein gut bewachtes Camp zu verlassen und in paschtunische Gehöfte einzudringen, um dort zu morden. Die ganze Wahrheit kommt nun scheibchenweise an die Öffentlichkeit.

Die wirklich Verantwortlichen haben ihr „Bauernopfer“ gefunden. Weil einer der Täter in US-Uniform sich gestellt hat, wird er nun bestraft werden, vielleicht mit der härtesten und unmenschlichsten aller Strafen. Nach deren Vollstreckung kann er keine Aussagen mehr machen. Damit er auch vorher nichts Unpassendes äußert, ist er isoliert und außer Landes gebracht worden.

Der „Einzeltäter“ und seine Familie werden die Strafe erleiden müssen – stellvertretend für alle Schuldigen an diesem schrecklichen Massaker. Wo bleiben die Strafen, wenigstens die Konsequenzen für die verantwortlichen Kommandeure, für die Politiker, die diesen sinnlosen Krieg vom Zaune gebrochen haben?

Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass die Gegend des Panjwai-Distriktes bereits in den Jahren 2006/07 Schauplatz verlustreicher militärischer Gefechte war, die in ihrer Summe sicher als die Schlacht um Panjwai in die Kriegsgeschichte eingehen werden.

Nach der Ausdehnung des Stationierungsraumes der NATO-geführten ISAF-Truppen von Kabul auf das gesamte Land kam es erwartungsgemäß im Süden zum Widerstand paschtunischer Rebellen. Zu dessen Zerschlagung ist die ISAF-Operation „Medusa“ (September 2006) durchgeführt worden. Trotz begrifflicher Anlehnung an die griechische Mythologie gelang es in dieser NATO– „Schlüsselschlacht“ jedoch nicht, dem paschtunischen Widerstand den Kopf abzuschlagen. Deshalb wurde eine weitere ISAF – Operation unter der Bezeichnung „Falcon Summit“ („Falkengipfel“ / Dezember 2006 und Januar 2007) durchgeführt. Diese Operationen und deren Logistik sind im ISAF-Hauptquartier geplant und in zahlreichen Briefings – auch gegenüber deutschen Parlamentariern – durch deutsche Generäle und Offiziere als erfolgreich interpretiert und als die letzte „offene Feldschlacht“ mit den Taliban dargestellt worden.

Weitere, den Krieg verherrlichende Quellen zur Schlüsselschlacht „Medusa“: legionmagazine.com, longwarjournal.org.

In den folgenden Monaten wurde auf Initiative und mit Steuergeldern aus Deutschland in eben dieser Gegend ein umfangreiches Straßenbauprojekt finanziert. Dies wurde als ein bedeutsamer Schritt der Entwicklungshilfe deklariert. Es sollte der wirtschaftlichen Entwicklung der Region dienen. In Wirklichkeit diente es der Vervollkommnung der militärischen Infrastruktur vor allem im Interesse der dort stationierten NATO – Verbände der USA und Kanadas. Als ob die armen paschtunischen Bauern der Region über die Menge der Fahrzeuge verfügten, die ein solches Straßenbauprojekt rechtfertigten.

Auch in den darauf folgenden Jahren blieb die Gegend Operationsgebiet der NATO in ihrem „Counter Insurgency Engagement“.

Da in diesem Kriegsgebiet eine freie Bewegung der Menschen nicht ohne Gefahr für Leib und Leben möglich ist, blieb es bis heute eine „No Go Region“. Informationen über die Lage gelangen kaum nach Kabul und damit an die Öffentlichkeit. Keiner hier im Westen weiß, welche Gräueltaten die Menschen, deren Heimat zu einem Schlachtfeld wurde, in all den Jahren erleiden mussten.

Die Menschen von Panjwai waren, sind und bleiben Opfer eines Krieges, den sie nicht verschulden.

Das Massaker von Panjwai war nicht das erste Verbrechen „Made in USA“ in einem ihrer zahlreichen Kriege. Und leider wird es nicht das letzte bleiben. Dies wird sich leider immer wiederholen, solange Kriege dieser Art geführt werden. Angriffskriege provozieren Morde und Massaker – sie sind selbst ein Verbrechen.

Einzeltäter werden geopfert für die Verbrechen eines Systems! Damit meine ich nicht (nur) Amerika, sondern alle Strukturen, denen der Krieg innewohnt. Damit meine ich die Staaten, die den Eliten eines Kapitalismus der Hochtechnologierüstung die Freiheit gewähren, ihre menschenverachtenden Produkte herzustellen, anzubieten, zu verkaufen und sich nach eigenen Gesetzen zu entfalten. Folgerichtig sind diese Eliten am Einsatz und an der Erprobung ihrer Waffen interessiert. Auf Grund ihrer Kapitalkraft haben diese Leute einen etablierten Platz in der „freien Welt“ errungen, sind einflussreich und geachtet.

Dadurch wird immer neuen Kriegen und neuen Kriegsverbrechen der Nährboden gegeben. Politische und militärische Führer, die ein besonderes Engagement bei der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen entwickeln, werden gefördert. Menschen, die sich gegen jegliche Kriege einsetzen werden ausgegrenzt. Ihnen wird weder die Freiheit gegeben, ihre Auffassungen und Argumente in den „Mainstream – Medien“ zu vertreten, noch wird ihr Kampf gebührend gesellschaftlich gewürdigt.

Die Aktivisten der Friedensbewegung wollen den Krieg als Mittel der Politik aus dem Leben der Menschheit verbannen.

Dies ist jedoch nur möglich, wenn den Kräften, die an seiner Vorbereitung und Führung Unmengen verdienen, das Handwerk gelegt wird.

Denn: Kriege sind nicht die Summe der Verbrechen einzelner verwirrter, kranker Soldaten. Sie sind die Vollstreckung des unmoralischen Willens einflussreicher Eliten unserer „freien Welt“.

Jürgen Heiducoff ist Autor des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier

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