USA stoppt Raketenlieferung an Israel
wegen hoher ziviler Opferzahlen unter den Palästinensern. Heftiger Streit zwischen Obama und Netanjahu.
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15.08.2014 / Ausland / Seite 6
Feuerpause verlängert
Palästinensische Delegation will verhandeln. Netanjahu gegen UN-Kommission
Von Karin Leukefeld
Die von Ägypten vermittelte Feuerpause zwischen Israel und dem Gazastreifen ist in der Nacht zum Donnerstag um weitere fünf Tage verlängert worden. Delegationen beider Seiten werden am kommenden Sonntag die Gespräche für eine anhaltende Waffenruhe fortsetzen. Allerdings sprechen die beiden Seiten nur indirekt miteinander, als Vermittler dient Ägypten. Israel hatte die Vereinbarung zunächst nicht bestätigt, statt dessen hatte es entlang der Grenze zum Gazastreifen Panzer und starke Truppenverbände zu einer Drohkulisse aufgebaut. Kampfjets beschossen den Küstenstreifen bis in die frühen Morgenstunden und griffen nach Armeeangaben »Raketenabschußvorrichtungen, Waffenlager und Zentren terroristischer Aktivitäten« an. Zuvor waren zwei Raketen auf den Süden Israels abgefeuert worden.
Bei den Gesprächen habe man sich »in vielen Punkten« geeinigt, sagte Assam Al-Ahmad, der Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation in Kairo. Man brauche aber »noch mehr Zeit«. Der Delegation gehören Vertreter der Hamas, des Islamischen Dschihad und der Palästinensischen Autonomiebehörde an.
Das Wall Street Journal hatte derweil berichtet, daß die US-Regierung die Lieferung von »Hellfire«-Raketen für Kampfhubschrauber an Israel wegen der hohen zivilen Opferzahlen gestoppt habe. Bei einem Telefonat zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu am Mittwoch sei es zu heftigem Streit gekommen, so das Wall Street Journal. Viele US-Beamte hielten die israelische Regierung für rücksichtslos und unglaubwürdig. Regierungschef Netanjahu hatte die Bildung einer UN-Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen zurückgewiesen. Das Gremium sei »in Sünde geboren«, sagte die israelische Justizministerin Zipi Livni am Donnerstag. Die israelische Armee will nun selber untersuchen, ob ihre Soldaten während des Gaza-Krieges das humanitäre Völkerrecht gebrochen haben.
Auf palästinensischer Seite werden die grundlegenden Forderungen von allen politischen Fraktionen unterstützt. Es geht um den Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen und darum, daß die palästinensischen Bauern ihr Land komplett – bis an den israelischen Grenzzaun – bebauen dürfen und Israel die dort eingerichtete »Pufferzone« abbaut. Weiterhin sollen die Palästinenser freigelassen werden, die im Austausch für den israelischen Soldaten Gilad Schalit freikamen, danach aber wieder verhaftet wurden. Die Palästinenser fordern die Öffnung aller Grenzen des Gazastreifens, wobei der Grenzübergang Rafah nach Ägypten international überwacht werden soll. Gefordert wird das Ende der israelischen Belagerung, die Wiederöffnung des internationalen Flughafens unter UN-Kontrolle, die Öffnung des Hafens von Gaza und der Industriezone sowie die Erweiterung der von Israel eingeschränkten Fischereigebiete. Israel soll zudem eine zehnjährige Waffenruhe zusagen, der Luftraum über dem Gazastreifen soll für israelische Flugzeuge gesperrt werden und die Bewohner sollten die Erlaubnis bekommen, zum Gebet in die Al-Aksa-Moschee nach Jerusalem fahren zu dürfen.
Die zwischen den beiden Delegationen vermittelnden Unterhändler hatten vorgeschlagen, daß die Frage des Hafens und des Flughafens erst einen Monat nach Beginn einer Waffenruhe neu aufgegriffen werden sollten. Das geht aus einem Papier hervor, das der Nachrichtenagentur AFP offenbar zugespielt wurde. Auch die Übergabe von zwei getöteten israelischen Soldaten im Austausch mit palästinensischen Gefangenen soll später verhandelt werden. Dem Papier zufolge soll die Pufferzone an der Grenze zu Israel nach und nach reduziert und von Sicherheitskräften der Autonomiebehörde bewacht werden. Die kooperieren bereits jetzt im besetzten Westjordanland eng mit der israelischen Armee. Israel stimmt einem Wiederaufbau nur zu, wenn der Gazastreifen komplett entwaffnet wird. Das wird von palästinensischer Seite abgelehnt.
Die parteiunabhängige palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Haq hat derweil einen Bericht über die Verwendung von DIME-Munition durch die israelischen Streitkräfte veröffentlicht. Diese Waffen enthalten eine Mischung aus Sprengstoff, Kobalt, Nickel, Eisen und Wolfram und verursachen schwerste Verletzungen. Aus Gaza wurden Fälle berichtet von ganzen Körpern, die in zwei Hälften zerschnitten wurden, und von Haut, Muskeln und Knochen, die aufgrund der zerstörerischen Verbrennungen verkohlt wurden.
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