Lernen’s Geschichte! Leserbrief F.Sölkner an KleineZeitung

Leserbrief zu den Artikeln „Der hohe Preis der Sicherheit“ und „Föderation für Palästina“ (beide in der Kl. Ztg. vom 16 Juni):

Lernen’s Geschichte!

Die Berichterstattung europäischer Medien über den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern im Nahen Osten leidet fast durchgängig unter einer starken proisraelischen Schlagseite. Dies ist auf dem Hintergrund unserer, aus dem Menschheitsverbrechen  des Holocaust erwachsenden Verantwortung erklärbar, verhindert aber ein tieferes Verständnis des Konflikts. Schlimmer noch:  Es verunmöglicht einen wirksamen politisch-diplomatischen Beitrag Europas zur Lösung des Konflikts.

 

 

 

Die Beiträge von Gil Yaron und Hans Winkler zeigen diesen Mangel deutlich. Zwei Beispiele daraus: Yaron versucht uns Israels innere Sicherheitspolitik schmackhaft zu machen, unterlässt es aber festzustellen, dass es Israels jahrzehntelange brutale Unterdrückung des Freiheitswillens des palästinensischen Volkes ist, die diesen gigantischen Sicherheitsaufwand erst nötig macht.

Und Winkler beklagt Arafats Ablehnung  eines ihm bei den Camp David Verhandlungen im Jahr 2000 durch Ehud Barak angebotenen Staates. Was er dabei unter dem Tisch fallen lässt, ist das Faktum, dass Barak der palästinensischen Seite kein Angebot machte, dass Arafat hätte annehmen können, ohne den Anspruch auf politische Freiheit aufzugeben. Arafat wollte den Staat Palästina auf jenen 22 Prozent des historischen Palästina errichten, die den PalästinenserInnen nach der Israelischen Staatsgründung und dem Krieg von 1948/49 noch verblieben waren. Barak freilich wollte ihm davon noch einmal 1/10tel für einige große völkerrechtswidrig errichtete Siedlungsblöcke wegzwicken. Auch über das arabische Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas war Barak nicht ernsthaft gesprächsbereit, sondern offerierte stattdessen drei arabische Stadtranddörfer: Abu Dis, Al-Aisaria und Sauwahra. Mit diesen und anderen Einschränkungen  blieb Barak weit hinter dem Rahmen zurück, der Anfang der 1990er Jahre in den Friedensverhandlungen  von Madrid und Oslo abgesteckt worden war. „Lernen’s Geschichte, Herr Winkler!“, hätte Bruno Kreisky gesagt. Er war der letzte österreichische Politiker, der noch zu einer weitblickenden Nahost-Politik fähig war. Wie erbärmlich unkritisch und uncouragiert dagegen das Verhalten von BK Kern vor zwei Monaten bei seinem Gespräch mit Netanyahu. 

Franz Sölkner

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