Samstag 9.12.2023 Menschen- und Lichterkette Graz

Menschen- und Lichterkette am Samstag, den 9. Dezember findet von  17:00 bis 18:00 in der Grazer Herrengasse statt.
Einladungs-Flyer: 2023_12_09_Flyer_Menschenkette_2023_11_30_final

Wir wurden dabei zwar wieder einmal ausgegrenzt (wie schon im Dezember des Vorjahres bei der Neutralitäts-Tagung) und haben daher lange diskutiert, ob es uns die Selbstachtung nicht gebietet, die Veranstaltung  nicht zu bewerben. Weil wir aber im Interesse einer möglichst vielfältigen Friedensarbeit nicht mit denselben Methoden arbeiten wollen, schicken wir die  Einladung der GIFFUN weiter. Und hoffen, dass sich viele von Euch noch entschließen hinzugehen!

Wieso und wie wurde die seit 20 Jahren kontinuierlich arbeitende Steirische Friedensplattform ausgegrenzt? 

Den Hintergrund bildet unser langjähriges solidarisches Engagement für das brutal unterdrückte palästinensische Volk. Infolge des hartnäckig betriebenen politischen Lobbyings eines Kreises von Israel-Freund:Innen um  MMag. Elie Rosen, dem  Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Graz, bekamen wir in den letzten Jahren von der veröffentlichten Meinung das Antisemitismus-Pickerl verpasst. Dahinter wirksam sehen wir das Interesse der auch in Österreich einflußreichen israelischen Staatspropaganda („Hasbara“)  und bei vielen Zeitgenoss:Innen eine mangelnde Bereitschaft zwischen den Begriffen Juden/Judentum einerseits und der ethnonationalistischen Politik Israels zu unterscheiden.  Ob im Einzelfall darüber hinaus  eine  tatsächlich Überzeugung oder die vorauseilende Angst, selbst in einen ungerechtfertigten Verdacht des Antisemitismus zu geraten, wirksam ist, sei  dahingestellt. Fakt ist, dass die Grazer Politik und auch manche zivilgesellschaftliche Gruppierung in Österreich mehr und mehr einem, um seine Freiheit kämpfendes indigenes Volk  die Solidarität verweigern und sich in das eurozentristisch-transatlantische Machtsystem  einpassen. Die Fahne Israels wochenlang am Rathaus Graz war dafür symbolhaft.   

Der Zionismus als jüdischer Nationalismus ist eine spezielle Ausprägung des Rassismus, d.h. wie jeder Nationalismus, der sich in einem Machtstaat etabliert, eine politisch problematische, ideologische Orientierung. In Zeiten der gesellschaftlichen Krise und wachsender Ängste, wie wir sie heute haben,  nehmen diese Verirrungen stark zu.  Das Bedürfnis, die eigene Unsicherheit als Mensch und als Gruppe zu entlasten, führt vermehrt zu unreflektierten Entlastungsreaktionen in Form der Suche von Sündenböcken. Die Juden als zunächst religiös und später rassenbiologisch ausgegrenzte Minderheit hatten darunter in der Geschichte Europas häufig schwer zu leiden. Im, von unserer Eltern- und Großeltern-Generation zu verantwortenden barbarischen Versuch, sie im Holocaust völlig zu vernichten, fand dieses Schicksal seinen schrecklichen Höhepunkt.  Es besteht kein Zweifel, dass judenfeindliche  Einstellungen seit einigen Jahren auch in Österreich wieder zunehmen. Dies gibt zu berechtigten Sorgen Anlass. Der aktuelle Versuch der Regierung, der Parlamentsparteien und einzelner Mainstreammedien, die Ursache dafür einseitig einem migrantisch-importierten Antisemitismus zuzuschreiben, ist ein durchsichtiges Manöver, um die eigene Klientel und Wählerschaft nicht kritisieren zu müssen.  Der hier größere Elefant im Raum, den man nicht sehen will, ist aber zweifellos Israel und seine jahrzehntelange harte Unterdrückung der Palästinenser:Innen. Das zionistische, sprich: jüdisch-nationalistische Israel hat ein starkes Interesse diese Politik der totalen Dominanz zwischen Mittelmeer und Jordan fortzusetzen. Um sich dabei gegen Kritik von außen zu immunisieren, begegnet der Zionismus der Kritik an seinen Staatsverbrechen mit dem Vorwurf des Antisemitismus. Das scheint zwar zunächst insoferne eine geschickte Strategie der Diskussionsverschiebung, als der Vorwurf jede vernünftige Diskussion über den Palästina-Konflikt ins Abseits manövriert. Es geht dann nämlich nicht mehr um die Frage der sachlichen Berechtigung der Kritik an Israel, sondern darum, ob der/die Kritikerin selbst eine Antisemit:In ist oder nicht. 

Aber hier liegt auf Seite der unkritischen Israel-Freund:Innen auch ein Denkfehler vor: Die Häufigkeit des Antisemitismus-Vorwurfs bewirkt nämlich das Gegenteil, sie fördert dessen Ausbreitung. Man muss ja nicht Psychologie studiert haben, um zu verstehen, was da passiert: Wenn Menschen Scheu haben, durch Wahrnahme ihres Menschenrechts auf Meinungsfreiheit in Form von offen geäußerter Kritik, gesellschaftlich diffamiert zu werden, verstummen sie, schlucken das hinunter und entwickeln aber zugleich  einen Groll. Und häufig wird dann das  weiterbestehende Gefühl der sachlichen Berechtigung, ja Notwendigkeit der Kritik an Israel in völlig verfehlter Weise pauschal an „die Juden“ adressiert.  

Interessant ist, dass unsere politischen und medialen Eliten diesen Zusammenhang nicht sehen wollen. Eine wesentliche Wurzel am zunehmenden Antisemitismus und am Scheitern der Politik in dieser Frage, liegt zweifellos  in der verordneten unkritische Schutzmantelpolitik gegenüber Israel.  Immer mehr Menschen schauen nicht mehr weg: Sie sehen Israels  brutale Unterdrückung des palästinensischen Rechts auf Freiheit, seine zahl- und detailreichen Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte, seine Apartheid, seinen Raub von Land und Wasser,  seine fortgesetzte Siedlungspolitik und den Terror der Siedler, seine Zerstörungen palästinensischer Häuser, seine alltäglichen, tausendfachen Schikanen und Demütigungen palästinensischer Menschen und seine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt – so sind laut UNO zwischen 2008 und August 2023 bei gewalttätigen Zusammenstößen zwanzigmal mehr Palästinenser:Innen zu Tode gekommen als Israelis. Einen plastischen Eindruck davon, wie die israelische Politik Palästinenser:Innen im Alltag schikaniert, demütigt und auch gewalttätige Gegenwehr provoziert, gab vor Jahren der ehemalige deutsche CDU-Sozialminister Norbert Blüm in einer TV-Diskussion: https://fb.watch/oweCkVIbA2/

Wie also lief unsere  Ausgrenzung  ab?

 Auf Einladung durch die GIFFUN war Franz Sölkner für die Steir. Friedensplattform bei der Vorbesprechung am 29. Nov. dabei und hat dabei angeboten: € 100  Organisationsbeitrag, zur Verfügungstellung unserer Tonanlage, 10 Ordnerwesten, Mitwirkung als Ordner. Auch hat er sich an 2 Passagen in die Textierung des Aufruftextes eingebracht: 1. Weil im vorgelegten Entwurf der Aspekt „Vorkrieg“ (Aufrüstung, Feindbildproduktion, etc.) nicht  genannt wurde, hat er  vorgeschlagen, diesen Aspekt im Kontext mit einem Zitat von Christa Wolf in den Text aufzunehmen. Das wurde übernommen. 2. Da zwar das Massaker der Hamas an ZivilistInnen vom 7. Okt. konkret genannt war, nicht aber der brutale  Gegenschlag Israels mit seiner damals (29. Nov.) schon mehr als zehnfachen Zahl an zivilen Opfern, wollte er hier eine ausgewogenere Formulierung. Auch hier hatte er den Eindruck, dass das berücksichtigt würde (was dann aber so nicht geschah – siehe Beilage Flyer). Am nächsten Tag teilte Sigrid Binder als GIFFUN-Sprecherin Franz Sölkner am Telefon mit, dass die beiden BürgermeisterInnen Kahr und Schwendtner für die Organisation der Menschenkette nur Geld freigeben und sie auch nur dann eine Rede halten werden, wenn die Friedensplattform nicht dabei ist. (Bei Vizebürgermeisterin Schwendtner hat uns das nicht überrascht, weil wir sowohl die starke Parteilichkeit der Grünen zugunsten des Apartheids- und Besatzungsstaates Israel, als auch ihre ganz persönliche Pro-Israel Haltung kennen; die Haltung von Frau Bürgermeisterin  Kahr, die früher bisweilen an unseren Sitzungen teilnahm, fanden wir enttäuschend. Hier war es wohl eher die Angst, durch eine Mitveranstalterschaft der Friedensplattform wieder in die von den Medien transportierte Kritik von Herren Rosen und der politischen Gegner  zu geraten).  Franz Sölkner hat die Entscheidung zur Kenntnis genommen. Sehr verwundert waren wir aber dann über Christian Stenners Niederschrift der Vorbesprechung: Bei den anwesenden Organisationen wurden wir einfach gecancelt. Und lakonisch wurde vermerkt: „Die Teilnahme der Friedensplattform wurde nach der Sitzung zurückgezogen.“ – so kann man eine politisch von oben verordnete Ausgrenzung auch schönschreiben! 

Insgesamt ein Lehrstück im Rahmen der zunehmenden Verengung des gesellschaftlich akzeptierten Meinungsspektrums und eines neu heraufdämmernden McCartyismus. Für die Zukunft wünschen wir uns von der GIFFUN Überlegung dahingehend anzustellen, ob eine Abhängigkeit von öffentlichen Geldern nicht oft einer effizienten Friedensarbeit im Weg steht.  Auch wenn wir derzeit eine Stadtregierung haben, mit der wir in vielen Fragen übereinstimmen, so  unterliegt sie doch – wie das Beispiel zeigt – den gesellschaftlichen und wahlpolitischen Konformitätsdruck. Aus genau diesem Grund hat sich die Friedensplattform schon vor vielen Jahren entschieden, sich über den Aufbau einer eigenen Spender:Innenbasis von externen Pressionen unabhängig zu machen.

Wenn wir in der Friedensbewegung unterschiedliche Zugänge zu einzelnen friedenspolitischen Problemfeldern und die daraus erwachsenden Spannungen nicht mehr im wechselseitigen kritischen Diskurs auszutragen bzw. sie gegebenenfalls auch nur mit Toleranz auszuhalten vermögen, werden wir angesichts der aktuell gefährlich wachsenden Erfolge der Bellizisten friedenspolitisch wenig Erfolg haben.

Leseempfehlung

Krieg in der Ukraine: Eine sehr kompakte gute Information zum von USA/NATO/EU geführten langen „Vorkrieg“ bietet die Spezialausgabe der Weltwoche vom 27. Okt. 2023: Benjamin Abelow, Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte. Nachzulesen unter  https://weltwoche.ch/wp-content/uploads/wewo2022_43_UKRA-1.pdf

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