Ausstellung im Grazer Landeszeughaus schürt Rassismus

ZUM SCHUTZ DES LANDES – Stadt Graz und Land Steiermark subventionieren seit 1997 die Dauerausstellung im Landeszeughaus, üben damit den Kniefall vor dem Rechtskonservativismus in der Steiermark und aktualisieren als Feindbild „die Türken“.

von Helga Suleiman

Wer in Graz diese Ausstellung in der Herrengasse, der zentralsten Strasse von Graz besucht, könnte sich nicht nur ins Mittelalter, sondern in eine Propagandaveranstaltung der NS-Zeit zurückversetzt fühlen.

Thematisch geht es um die Zeit der „Türkenkriege“. Die Botschaft der Ausstellung kann einfacher nicht sein: Tapfere „Steirer“ verteidigen sich gegen brutale Invasionen „der Türken“. Das „christliche Schwert“ kämpft gegen den „türkischen Säbel“.

Die Obristen und Hauptleute sollen samt dem Kriegsvolk an denen ihnen zugewiesenen Orten bleiben, damit durch die Grenze das arme christliche Volk vor Verheerung durch den Feind geschützt werden kann. Dekret Erzherzog Karls II vom 11. März 1578

Gleich eingangs wird das so genannte „Gottesplagenbild“ des Grazer Doms in Kleinformat, aber in umso genauerer Ausgestaltung aller Details – der angeblichen osmanischen Gräueltaten – präsentiert. Nein, es wird nicht davor zurückgeschreckt, jene Version aus den österreichischen Schulbüchern und in Volksschulklassen in Graz verteilten Kopien erneut vorzustellen, die die „Gottesplage Türken“ mit den Heuschrecken und der Pest gleichsetzt.

Ein besonderes Schreckensjahr für die Steiermark war 1480. Das „Gottesplagenbild“ am Grazer Dom berichtet davon: Heuschrecken, Türken und Pest verheerten das Land. Erläuterung in der Ausstellung

Ein Herr um die 50 und ein jugendliches Mädchen stehen fasziniert davor. Ich frage die beiden: „Finden Sie nicht, dass man „die Türken“ nicht mit Heuschrecken und Pest vergleichen kann?“

„Nein“, gibt sich der Mann nach einem Überraschungs- und Überlegungsmoment überzeugt, „die Türken waren damals eine genau solche schreckliche Bedrohung und Gefahr…“ und will fortfahren die ungeheuerliche Bedrohung zu beschreiben. Ich: “Finden Sie nicht, dass es in Zeiten wie diesen unverantwortlich ist „die Türken“ als Feindbild wiederauferstehen zu lassen?“ Das findet er nicht. Und auf meinen letzten Versuch man könne ja nicht „die Türken“ sagen, und damit einfach den Kriegsjargon der damaligen Zeit ins heutige übertragen, antwortet die Tochter: „Das passiert doch überall, „die Deutschen“ werden in Amerika nach wie vor allesamt als Nazis bezeichnet.“ Na wenn die das dürfen, dann wir erst recht? – frage ich, und schaue den von mir Wegstrebenden nach.

Was geschieht in dieser Ausstellung? Sie ignoriert, dass jeder Blickwinkel auf die Geschichte vom Standpunkt des Beobachters/der Beobachterin abhängig ist. Sie tut, als wäre sie objektiv und damit wissenschaftlich korrekt. Sie missachtet den schon langen Stand der Erkenntnis, dass es keine neutrale Geschichtsschreibung gibt. Durch die Wahl der  Reproduktion von Geschichtsbildern werden aktuelle Realitäten mitgeschrieben.

Diese Einsicht der modernen Geschichtswissenschaft prallt hier an den politischen Bedürfnissen eines schulmeisterlichen Konservativismus ab, der sich krampfhaft bemüht alte Feindbilder weiter zu konstruieren.

Es gibt in dieser Ausstellung nicht ein Stäubchen an Hinterfragenskompetenz – in keiner Hinsicht. Sogar die historischen Propagandabilder und Texte, wortgetreu ins Deutsche und Englische übersetzt (warum eigentlich nicht ins Türkische?), mit den Darstellungen der aufgespießten Babys, werden als Berichte vorgestellt.

Die Sichtweise auf die Geschehnisse ist ausschließlich in schwarz-weissgehalten, Zwischentöne ausgeschlossen. Mehrere Male und überlebensgroß werden die „Invasionen“ vorgemalt- die Steiermark versinkt in Blut und Rauch.

Auch innerhalb der weissen=guten Perspektive herrscht nur die Perspektive der Mächtigen vor. Das Elend der Grenzbauern, die als Nahrungsmittelproduzenten ausgebeutet wurden und als Krieger jederzeit zur Verfügung stehen mussten, wird gerade einmal angedeutet. Schon gar nichts ist davon zu lesen, dass diese Bauern nach und nach „die Fronten wechselten“, d.h. überliefen, einfach um ihre Lebenssituation erträglicher zu machen.

Es gibt keine Zusammenhänge, keine Vor- und Nach- und schon gar keine Nebengeschichte, es gibt ein einfaches Weltbild, das hier re-präsentiert wird: hier gut- dort böse, hier Steirer und Christen —dort Türken und Muslime.

Man fragt sich warum die Herren Professoren nicht gleich den von Hitler vergebenen Titel für Graz als „Stadt der Volkserhebung“ mit ausgestellt haben.

Durch die Aussagen des St. Pöltener Bischofs Krenn 2002 und des nach wie vor amtierenden Grazer Bürgermeisters Nagl 2005, fühlten sich all die Jahre seitdem Rechtsparteien aufgefordert dem Ruf zum „Abwehrkampf gegen die Türken“ zu folgen: EU-weit bekannt wurde die Stadt durch Aussagen der Freiheitlichen Susanne Winter über „schleichende Islamisierung“ und mit dem PC-Spiel, welches Muslime zum Abschuss freigibt. Das sind Grazer ZeitGeschichten!

MigrantInnenvereine und NGOs wissen von täglichen rassistischen Attacken auf Türken und Türkinnen, auf Muslime und Musliminnen in Graz. Die allgemeine brutale Abschiebungspraxis  in der rassistischen österreichischen Asylpolitik ist bekannt. Der Grazer Polizeidirektor spricht von muslimischer Unterwanderung und Gefahr fürs hiesige Demokratieverständnis, u.s.w.

Für die Wahlkämpfe der Rechtskonservativen sind die Fördergelder=Steuergelder für Bildung in so einer Ausstellung gut investiert – was wird wohl die neue, von SP-Landesrätin Bettina Vollath eingerichtete Antidiskriminierungsstelle dagegen unternehmen? Warum wurde bislang nichts dagegen getan? Wie kommt eine Ausstellung politisch zustande, die historisch derartig einfältig ist und zeitgenössisch so hetzerisch wirkt?

Bezeichnend, dass das Grazer Projekt des kritischen Künstlers Nasan Tur „Der unbekannte Ritter“ nirgendwo Erwähnung findet, auch das gleichnamige Buch über den Kriegsmüden ist im Zeughaus nicht ausgestellt.

Die Erkenntnisse der Ausstellung „Türkenbilder und Türkengedächtnis in Graz und in der Steiermark“ der Historikerin Zsuzsa Barbarics-Hermanik, die 2010 „stereotype Vorstellungen und Feindbilder über die Türken dekonstruieren“ wollte, werden im Zeughaus nicht nur verschwiegen, sondern gegengezeichnet.

Historiker Gerhard M. Dienes ist der Ansicht, dass der ständig erwähnte „Türkensturm“ auf Graz und Steiermark nie stattgefunden hat: „Dennoch war über Jahrhunderte das Bewusstsein einer türkischen Bedrohung lebendig. Die Forschung stellte lange keine kritischen Fragen.“

Auch die Internationale Tagung 2010 in Bad Radkersburg  Die Türken erinnern. Ausbildung und Überlieferung des Türkengedächtnisses im internationalen Vergleich* mit hochaktuellen Forschungsbeiträgen blieb für die DAUERausstellung im Landeszeughaus völlig belanglos.

Fazit: Diese seit 1997 den rassistischen Diskurs der Unvereinbarkeit der Kulturen fortschreibende Ausstellung muss schnellstens demontiert und ersetzt werden!

Sicher kommt  jemand der kritischen HistorikerInnen auf die Idee, ForscherInnen aus der Türkei einzuladen, um gemeinsam eine neue Ausstellung „Zu Gunsten des Landes“ zu gestalten.

In Zeiten von angeblich fehlenden Geldern der öffentlichen Hand bieten sich Grundtvig und andere EU-Projekte an, um hier miteinander statt übereinander zu reden. Was haben osmanische Quellen zu dieser Epoche zu sagen, wie ist die Sichtweise türkischer HistorikerInnen auf die Geschehnisse?   Nicht zuletzt: Welche Botschaften sendet man damit an die BesucherInnen?

Das wahrscheinlich Vater- und Tochterpaar verlassen die Ausstellung, grußlos an mir vorüber gehend. ItalienerInnen füllen mittlerweile den Raum. Die Bilder mit der Gräuelpropaganda sind offenbar attrativo, kleine Trauben bilden sich davor. „Brava, brava“ ist zu hören, – gut gemacht diese Ausstellung.

Welch Beitrag zum Weltfrieden, den der Bildungsauftrag einer Kultur- und Menschenrechtshauptstadt in die EU-Weiten hinein versprüht. Eine weitere Unterwerfungsgeste unter den Himmel der klerikalkonservativen Rechten – ach ja: zum Schutz des Landes.

*http://www.oeaw.ac.at/ikt/archiv/work/ProgrammTuerkenErinnern.pdf

Literatur zum Thema:

Web:

▪        www.tuerkengedächtnis.oeaw.ac.at

▪        Demokratiezentrum Wien: Konstruktionen des Anderen. Historische und kulturelle Bezüge in österreichischen Mediendebatten über einen EU-Beitritt der Türkei. Auf: http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/endbericht_tuerkei_web.pdf

Zeitschrift:

▪        Feindbilder. Hunnen, Türken, Islamisten. In: Historische Sozialkunde. Geschichte, Fachdidaktik, politische Bildung. Hrsg: Verein für Geschichte und Sozialkunde. Eigenverlag, Wien (4/2010).                                  http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschriften/ausgabe=6135

Bilder aus der Ausstellung:

Schutz

gottesplagen

Invasion

Greuel+Schrift

Feind+Furcht

2 Kommentare zu “Ausstellung im Grazer Landeszeughaus schürt Rassismus”

  1. veronika sagt:

    Ein wichtiger Artikel, der zeigt, wie vermeintlich unpolitische Kulturpolitik politisch wirksam wird und wem dies nützt ! Du könntest Führungen für kritische Leute, Schulklassen etc. durch die erwähnte Ausstellung anbieten mit entsprechenden Zusatzkommentaren.

  2. Helga sagt:

    Liebe Veronika, diese Idee werde ich aufgreifen!

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