Syrien darf kein zweites Libyen werden: Massiver Gewalt und Unterdrückung ohne Gewalt begegnen

Pax Christi Österreich – Vorstand

18.2.2012

Die Situation in Syrien ist wie ein Albtraum. Das Töten von Menschen,

Folterungen und massenhaftes Elend nehmen mit jedem Tag zu. Das Regime von

Bashar al-Assad will sich mit äußerst brutaler Gewalt an der Macht halten.

Die syrische Oppositionsbewegung hat seit einem Jahr versucht, ohne

Anwendung von Gewalt für Reformen auf demokratischem Wege einzutreten. Mit

Beginn des Jahres 2012 haben paramilitärische Kräfte den Kampf gegen das

Assad-Regime und die reguläre syrische Armee aufgenommen. Die „Freie

Syrische Armee“ (FSA) verübt Anschläge, nimmt Regierungspersonal unter

Feuer und legt in Taliban-Manier Sprengfallen. Diese Gegengewalt führt zu

äußerstbrutalen Gewaltexzessen auf Seiten der syrischen Armee, wie vor allem dertagelange Beschuss der Stadt Homs zeigt.

Die meisten Menschen sterben aufgrund der Kampfhandlungen zwischen der FSA und den syrischenStreitkräften.

Hinter dem Syrischen Nationalrat, der von der Türkei

aus den gewaltsamen Widerstand der FSA lenkt, stehen die Muslimbrüder. Viele

Gruppen im Land wie Kurden, Alawiten, Kopten, säkulare politische Kräfte und

städtisches Bürgertum sind jedoch mit dieser Entwicklung nicht

einverstanden und haben Angst, wenn es dieser Seite gelingt, die Macht zu übernehmen.

Wer rüstet die bewaffneten Oppositionskräfte aus? Woher bekommen sie

militärische und ideelle Unterstützung? Politische Kräfte in Frankreich und

den USA haben bereits signalisiert, dass sie bereit sind, wie im Falle

Libyens, sich auf die Seite der militärischen Rebellen zu stellen. Je mehr

der Bürgerkrieg sich entfacht, desto mehr steigt – ebenfalls wie in

Libyen -die Bereitschaft der westlichen Militärmächte zu einer

Militärintervention.

Es wird berichtet, dass mit Hilfe der NATO Waffen und militärlogistisches

Know-how an die Aufständischen geliefert wurde – zynischerweise auch aus

Beständen Libyens. Kriegserprobte libysche Kämpfer und irakische

Al-Kaida-Djihadisten wollen den Aufständischen in Syrien zu Hilfe kommen.

Offensichtlich verfolgen die USA und ihre Verbündeten in Syrien und

mit der Bewaffnung der Aufständischen ihre geostrategischen Ziele. Wird Assad als

Gegner der westlichen Mächte gesehen, weil er die Opposition unterdrückt

oder weil er ein Verbündeter des Iran ist? Jedenfalls gilt: Fällt das

Assad-Regime, dann fällt zugleich der wichtigste Verbündete des Iran. Dies

passt zu den wiederholten Andeutungen, dass die USA zu einem Angriffskrieg

gegenüber dem Iran bereit sind. Der Weg nach Teheran führt über Damaskus

.

Das Beispiel Libyen zeigt, welcher Preis bei einer Militärintervention zu

zahlen wäre. Die bewaffneten Auseinandersetzungen haben in Libyen bis zu

40.000 Menschenleben gefordert. Syrien zählt dreimal so viel Einwohner,

entsprechend höher würden die Opferzahlen sein.

Was würde geschehen, wenn die Muslimbrüder, unterstützt von

Djihadisten ausLibyen oder dem Irak, die Macht in Syrien ergreifen würden? Die Gefahr von

ethnischen Säuberungen wäre gegeben, was vor allem die 10 Prozent Christen

in diesem Land treffen würde.

Die Komitees der syrischen Protestbewegung haben stets vor einer

Militarisierung des Aufstands gewarnt. So heißt es in einer Stellungnahme

des Zusammenschlusses der lokalen Komitees: „Eine Militarisierung der

Revolution würde die Unterstützung und Beteiligung an der Revolution durch

das Volk minimieren. … Militarisierung würde die Revolution in eine

Arena

tragen, wo das Regime einen deutlichen Vorteil hat und die moralische

Überlegenheit erodieren, die die Revolution seit ihren Anfängencharakterisiert hat.“

Die internationale Gemeinschaft muss Wege finden, den berechtigten zivilen und gewaltlosen Protest

der Bürger und Bürgerinnen Syriens zu unterstützen.

Eine friedliche Lösung in Syrien wäre möglich. Die internationale

Gemeinschaft müsste alles daran setzen, dass alle Kontrahenten an einen

Verhandlungstisch kommen. Solange westliche Politiker eine

Militärintervention nicht ausschließen und damit zu einem bewaffneten

Aufstand ermutigen, wird dies erschwert. Eine Friedenslösung kann auch

nicht geschehen, wenn Assad isoliert und umgangen wird. Frieden setzt nicht auf

Kapitulation der gegnerischen Seite. Jedes Einlenken des Assad-Regimes auf

eine Demokratisierung, auf Zugeständnisse zu einer Verfassungsänderung

oder auf freie Parlamentswahlen kann als Hoffnungszeichen gesehen werden.

Primär gilt es jetzt, eine internationale humanitäre Hilfe (humanitärer

Korridor) – ohne Militärintervention und mit Zustimmung von Damaskus – für

die Not leidende Bevölkerung in Syrien zu organisieren. Damit verbunden

braucht es unabhängige Beobachtermissionen, die weder mit russischen noch

mit westlichen Interessen verknüpft werden könnten. Saudi Arabien mit

seiner repressiven Politik und seinen westlichen Interessen sowie der

sunnitischen Orientierung ist ein schlechter Vermittler in einem Land, das aufgrund

seiner Partnerschaft mit dem Iran eine schiitische Option ergriffen hat.

Neben den Vereinten Nationen könnten aber andere Staaten oder anerkannte

Staatspersonen eine Vermittlerrolle einnehmen. Hier läge auch eine

spezifische Rolle eines kleinen neutralen Landes wie Österreich.

Auf jeden Fall gilt: Gewalt ist keine Antwort, da sie grundlegendste

Menschenrechte außer Kraft setzen würde.


Kein zweites Libyen in Syrien!

Nein zur Bewaffnung der Aufständischen, Nein zu Bürgerkrieg und

Militärintervention!

Ja zur Unterstützung der gewaltfreien Protestbewegung

und zur Demokratisierung Syriens!

Pax Christi Österreich – Vorstand vom 18.2.2012

info@begegnungszentrum.at

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,

Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit

Center for Encounter and active Non-Violence

Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,

fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,

Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at

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