Brief an das Grazer Schauspielhaus
In diesem Schreiben von den Frauen in Schwarz, Wien wird das Grazer Schauspielhaus aufgefordert, sein Gastspiel beim „Habima National Theater“ in Israel abzusagen.
Die Steirische Friedensplattform unterstützt diesen Brief.
Schauspielhaus Graz
Intendanz und künstlerisches Team
z.H.
Frau Anna Badora
Herr Peter Croce
Herr Bernhard Schreiner
Frau Brigitte Gösweiner
Frau Anna Röckl
Hofgasse 11
8010 Graz 22. Februar 2012
Betrifft:
Ihre geplante Aufführung am Habima Theater, „Habima Festival
of International Collaborations“, 15. – 24. März 2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir schreiben Ihnen diesen Brief um Sie zu bitten, Ihre geplanten Aufführungen beim „Habima Festival of International Collaborations“ zurückzuziehen.
In der Ankündigung des Festivals steht geschrieben – “Das Habima National Theater entwickelt eine Initiative von fruchtbarer Zusammenarbeit mit prominenten Theatern aus aller Welt: Aufführungen, Austausch von Regisseuren, Teilnahme an Festivals, Einladung von Mitgliedern der UTE (Union des Theatre de l’Europe, bei der auch das Habima Theater Mitglied ist). Die Behandlung von vorrangigen Themen, auf die Bühne gebracht, um öffentliche Diskussionen anzuregen, ist eine der Grundaufgaben des Theaters. Wir glauben, dass diese theatrale Zusammenarbeit zu internationalem Verstehen beiträgt und Israel ins Zentrum von Gesprächen in der Europäischen Gemeinschaft setzen wird.“
Dem möchten wir dagegen halten, dass Israel seit Jahrzehnten systematisch die Menschenrechte der Palästinenser_innen unter der israelischen Besatzung verletzt. Israel hält die Palästinenser_innen im Westjordanland unter israelischem Kriegsrecht ohne jegliche zivile Rechte besetzt; Israel hält die illegale Belagerung von Gaza aufrecht; es leugnet das durch die Vereinten Nationen sanktionierte Rückkehrrecht und die Entschädigung der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und verabschiedete bereits Dutzende diskriminierende Apartheid-Gesetze innerhalb Israels. Solche Verstöße, die von anerkannten Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Oxfam dokumentiert sind, wurden längst von den Vereinten Nationen als unrechtmäßig anerkannt.
In seinem jüngsten Bericht an die Generalversammlung der Vereinten Nationen kritisierte der UN-Sonderberichterstatter und Völkerrechtler Richard Falk die Tendenz der internationalen Gemeinschaft, die Übergriffe gegen die unter israelischer Militärkontrolle im Westjordanland und in Ostjerusalem lebenden
Palästinenser nicht zur Kenntnis zu nehmen. Wegen dieser Übergriffe trägt die israelische Besatzung zunehmend die Züge von Apartheid. Richard Falk weist darauf hin, dass die Palästinenser im Westjordanland zum Beispiel von der Benutzung der Straßen ausgeschlossen sind, die den Bewohnern der benachbarten völkerrechtswidrigen und aus ideologischen Gründen nur Juden vorbehaltenen Siedlungen zur Verfügung stehen.
Ariel ist eine dieser jüdischen Siedlungen und das Habima Theater zögert nicht, dort aufzutreten, obwohl es in Israel und auch aus den Vereinigten Staaten massive Proteste von Schauspielern und Künstlern gegeben hat.
http://www.haaretz.com/print-edition/news/150-academics-artists-back-actors-boycott-of-settlement-arts-center-1.311149
Jede internationale Aufführung wird von Israel dazu benutzt, eine Fassade der Normalität vorzutäuschen und dient als Mittel zum Zweck, seine fortwährenden Menschenrechtsverletzungen schönzufärben. Seit 2005 gibt es eine gemeinsam finanzierte und durchgeführt Strategie der Ministerien Kultur, Tourismus und Auswärtiges, Hasbara genannt, die von dem Konflikt mit den Palästinensern ablenken soll, um Israels negatives Image weltweit aufzupolieren.
Es wird Ihnen sicherlich bekannt sein, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag in seinem Gutachten vom Juli 2004 den israelischen Mauerbau in den besetzten palästinensischen Gebieten für illegal erklärt hat, darüber hinaus alle israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalems für rechtswidrig erklärt und festgehalten hat, dass die von der Besatzungsmacht Israel ergriffenen Maßnahmen zur Änderung des Rechtsstatus und der demografischen Zusammensetzung des besetzten Ost-Jerusalems keine rechtliche Gültigkeit besitzen und null und nichtig sind.
Bis heute missachtet Israel nicht nur dieses Gutachten, sondern hat mittlerweile den Mauerbau sogar nahezu vollendet. Der Ausbau jüdischer Siedlungen geht auch in Ost-Jerusalem unverzüglich weiter. Viele Leute sind schockiert von der „Judaisierung“ Jerusalems. Die israelische Regierung betreibt in Ost-Jerusalem eine Politik der Enteignung und Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung der Stadt. Um dies zu verdecken sucht Israel Allianzen mit westlichen Partnern.
Die palästinensische Zivilgesellschaft hat im Juli 2005, ein Jahr nach dem Gutachten des IGH, dazu aufgerufen, gegen Israel solange Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) zu verhängen bis Israel das internationale Recht, also auch seine Verpflichtung umsetzt, den Palästinensern das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung zuzugestehen.
Zu dieser inzwischen weltweiten gewaltlosen Bewegung gehören die Regisseure Mike Leigh, Aki Kaurismäki und Ken Loach, 180 Künstler aus Irland, 500 aus Montreal, 150 aus der Schweiz, die Musiker Roger Waters und Nigel Kennedy, die „Artists Against Apartheid“ aus Südafrika und auch die internationale Vereinigung der Künstler gegen Apartheid. Unter ihnen sind Juden und Israelis, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass Israel ständig versucht, seine Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte hinter einer Fassade der Normalität zu verbergen.
In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat die Ächtung der Apartheid-Politik Südafrikas durch die meisten Länder der Welt dazu geführt, dass diese Politik beendet und eine Regierung etabliert wurde, in der alle Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt vertreten sind. Gerade die Weigerung vieler Kulturschaffender, Universitäten und Sportorganisationen hat in besonderem Maß zu dieser Veränderung beigetragen.
Sehr geehrte Damen und Herren des Grazer Schauspielhauses, wir bitten Sie dringend, diese Tatsachen zu überdenken und Ihre Aufführungen am Habima Theater abzusagen. Erteilen Sie der israelischen Politik von Apartheid, Unterdrückung und Besatzung eine Absage!
Wir bitten Sie um Ihre geschätzte Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Frauen in Schwarz (Wien), www.fraueninschwarz.at
Kritische Jüdische Stimme (Österreich), www.nahostfriede.at
Boycott! Supporting the Palestinian BDS Call from Within
(Boycott from Within. Israeli citizens for BDS), www.boycottisrael.info
BDS Gruppe Berlin, www.bds-kampagne.de
Steirische Friedensplattform
Verein für Palästina (Steiermark)
Pax Christi Österreich
Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V., www.dpfv.org
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Bad Ischl, www.begegnungszentrum.at
Med.Rat. Dr. George Nicola
cc: Bürgermeister Siegfried Nagl
buergermeister.nagl@stadt.graz.at
20 Februar 2013 um 8:37
Omri Nitzan ist nicht Athol Fugard
Peter Brook hat die Aufführung seiner Produktion im Kameri-Theater in Tel-Aviv abgesagt. Daraufhin reagierte der Kameri-Intendant in einer israelischen Zeitung. Hier meine Antwort zur Reaktion von Omri Nitzan auf Peter Brook
http://abumidian.wordpress.com/deutsch/nicht-in-unserm-namen/brook/