Nicht aufwerten

»Made in Israel« muß unterscheidbar sein von Produkten aus widerrechtlich besetzten Gebieten

Von Annette Groth und Tanja Tabbara

Am 18. September hat der Ausschuß für internationalen Handel (INTA) des Europäischen Parlaments (EP) das Zusatzprotokoll zum EU–Israel Assoziierungsabkommen zur Konformität und Zulassung industrieller Produkte (ACAA) angenommen. Es ist zu befürchten, daß es demnächst auch im Plenum des EP angenommen wird. Am morgigen Dienstag findet im Europäischen Parlament eine Plenardebatte zu besagtem Zusatzprotokoll statt, die Abstimmung wird vermutlich im November erfolgen. Im Falle einer Annahme bekämen pharmazeutische, später auch andere industrielle Produkte aus Israel erleichterten Zugang zu europäischen Märkten. Menschenrechtsorganisationen in Europa und im Nahen Osten sprechen sich gegen die Annahme des Protokolls aus.

Bereits Ende Juli tagte der europäisch-israelische Assoziierungsrat. Obwohl die Aufwertung der Beziehungen zwischen EU und Israel offiziell »eingefroren« ist, beschloß das Gremium die Zusammenarbeit zu intensivieren. Solange die israelische Regierung nicht ihren Verpflichtungen aus dem internationalen Recht nachkommt, dürfen die Beziehungen Brüssels zu Tel Aviv keine Aufwertung erfahren, argumentieren hingegen Menschenrechtsorganisationen in Europa und Nahost. Jüngst machte die Kampagne »Besatzung schmeckt bitter« von der kirchlichen Friedensgruppe Pax Christi auf die rechtswidrige Präferenzbehandlung von Produkten aus israelischen Siedlungen bei der Zolleinfuhr in Europa aufmerksam. Denn auch Güter aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen werden unter dem Label »Made in Israel« nach Europa eingeführt. Ende 2005 trat eine informelle technische Vereinbarung in Kraft, dergemäß der Ursprungsort aller Waren mit der amtlichen Ursprungsangabe »Made in Israel« durch Postleitzahlen kenntlich gemacht werden muß. Dies gibt den europäischen Behörden die Möglichkeit, Siedlungsprodukte von der Zollpräferenz auszuschließen.

Pax Christi fordert eine Kennzeichnungspflicht für Siedlungsprodukte, damit Verbraucher entscheiden können, ob sie diese kaufen wollen oder nicht. Eine solche Regelung besteht in Großbritannien seit 2009. Dänemark und Südafrika haben jüngst nachgezogen. Die Schweizer Supermarktkette Migros will ab Sommer 2013 Siedlungsprodukte als solche kennzeichnen. Die EU gab mittlerweile eine lange Liste heraus, in der die Postleitzahlen aller Standorte, die nicht der Präferenzbehandlung unterliegen, aufgeführt sind. Allerdings hat mehr als die Hälfte der Unternehmen, die in den besetzten palästinensischen Gebieten produzieren, auch eine Niederlassung in Israel selbst. Wiederholt wurden Siedlungsprodukte mit den Postleitzahlen der dortigen Firmensitze versehen.

Einen Rechtsgrund, der die Kennzeichnung von Siedlungsprodukten verbieten würde, gebe es nicht, erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Allerdings auch keine Kennzeichnungspflicht. Die Bundesregierung will auch nicht sehen, daß die israelische Regierung gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU verstößt. Das ist angesichts der hinreichend dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, für die die israelische Regierung die Verantwortung trägt, allerdings eine erstaunliche Einschätzung. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zumindest den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau wiederholt kritisiert.

Das Assoziierungsabkommen hat wie alle anderen Vereinbarungen der EU mit den Mittelmeeranrainerstaaten als wesentlichen Bestandteil eine Menschenrechtsklausel: Gemäß Artikel 2 müssen alle Partner der EU die Menschenrechte und demokratische Prinzipien respektieren. Auch als Vertragsstaaten der Vierten Genfer Konvention haben die EU-Mitglieder die Verpflichtung, die Achtung dieser Konvention zu sichern. Durch die stillschweigende Duldung rechtswidriger Praktiken, wie zum Beispiel dem in Artikel 49 der Konvention ausdrücklich verbotenen Siedlungsbau in besetzten Gebieten, verletzen die europäischen Vertragsstaaten ihre eigenen rechtlichen Verpflichtungen.

Annette Groth ist menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Tanja Tabbara ist Nordafrika-Referentin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Quelle: jungewelt vom 22.10.12

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