Große Kriegskoalition
![]() No Patriots: Mitglieder der Linkspartei demonstrierten am Mittwoch in Berlin gegen Bundeswehr-Stationierung in der Türkei
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Am Freitag soll der Bundestag über den nächsten internationalen Einsatz der Bundeswehr abstimmen; am gestrigen Mittwoch befaßte er sich mit der Stationierung von Luftabwehrraketen an der türkischen Grenze zu Syrien. Dabei warb die Regierung um breite Zustimmung: Die Türkei sei das vom syrischen Bürgerkrieg »am meisten betroffene Land«, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Bundestag. Im November hatte Ankara bei seinen NATO-Partnern um die Entsendung von »Patriot«-Luftabwehrsystemen ersucht, der Militärpakt hatte am vergangenen Dienstag einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Der Mandatsantrag der Bundesregierung fordert nun – unter Berufung auf »das Recht auf kollektive Selbstverteidigung« – die Entsendung »bewaffneter Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO«. Das Mandat soll bis Januar 2014 befristet sein, das Kommando beim NATO-Oberbefehlshaber liegen. Bis zu 400 deutsche Soldaten können ihren Marschbefehl erhalten.
In Syrien tobt seit knapp zwei Jahren ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung unter Baschar Al-Assad und einer u.a. direkt von der Türkei, aber auch von Frankreich und Deutschland unterstützten Opposition. Die beiden angeforderten »Patriot«-Batterien sollen Anfang 2013 nahe der südtürkischen Stadt Kahramanmaras, rund 100 Kilometer von der Grenze entfernt, stationiert werden, kündigte Michael Link (FDP), Staatssekretär im Auswärtigen Amt, am Mittwoch an. Einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa zufolge hatte sich bereits am Dienstag eine deutliche Mehrheit der SPD-Parlamentarier für die Bundeswehrstationierung ausgesprochen. Auch seiner Fraktion wolle er die Zustimmung empfehlen, kündigte Omid Nouripour, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, am Mittwoch an.
Linksparteivize Jan van Aken kritisierte die Haltung der anderen Oppositionsparteien als »nicht nachvollziehbar«. Syrien bedrohe die Türkei nicht, gegen die Chemiewaffenarsenale seien »Patriot«-Raketen außerdem nicht verwendungsfähig. Die Argumente erinnerten ihn an die US-Propaganda gegen den Irak vor zehn Jahren: »Wenn Sie noch einmal die Chemiewaffen als Argument anführen, dann sollen Sie für viele Jahre zwischen Colin Powell und George W. Bush im Fegefeuer schmoren«, so van Aken zu de Maizière. Seine Partei werde, als einzige, den geplanten Einsatz ablehnen.
Falls sich der Konflikt in Syrien, dessen Regierung auf die Unterstützung Rußlands und Chinas zählen kann, weiter internationalisieren sollte, wäre die deutsche Armee sofort in militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Doch das Durchwinken immer neuer Kriegseinsätze ist dem Bundestag längst zur Routine geworden – und auch die Heimatfront ist eingenordet. In einem »offenen Brief« an Baschar Al-Assad, der vom Berliner Literaturfestival am Mittwoch veröffentlicht wurde, wird dem syrischen Präsidenten der Rücktritt nahegelegt. Falls er dem Vorschlag der Literaten nicht nachkäme, gebe es »nur eine andere Lösung«: »Entweder getötet zu werden, wie Saddam Hussein oder Muammar Al-Ghaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer sterilen Zelle in Den Haag«, heißt es in dem unter anderem von Alfred Grosser, Martin Walser und David Grossman unterschriebenen Papier. Purer Großmachtchauvinismus. Schriftsteller als Lynchmob.
jW 13.12.12
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