Stellungnahme palästinensischer Organsiationen in Dtl. zum Waldschenkungsvorhaben der SPD an Israel

Tatsächlich gibt es immer noch Vorhaben, immer noch Pläne, die uns erstaunen und sogar erschüttern.

Dazu gehört fraglos die Ankündigung der SPD-Spitze, Israel zum 65. Geburtstag einen Wald in der Negev zu schenken. Ein Vorhaben, das wahrlich an Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen ist.

Die SPD-Führung spricht von der besonderen Verbundenheit ihrer Partei zu Israel. Das gibt uns das Recht, die Damen und Herren in der SPD zu fragen, mit welchem Israel bitte sie sich verbunden fühlen und solidarisieren? Mit einer Regierung und mit einem Land, das gerade vor ein paar Tagen einen abscheulichen Angriff auf Gaza gestartet und 150 Menschen den Tod gebracht hat? Oder mit einer Regierung und einem Land, das seit über sechs Jahrzehnten ein ganzes Volk terrorisiert und unterdrückt, seiner Menschenrechte beraubt und seine minimalsten Anstrengungen zur Normalität Tag für Tag ad absurdum führt?
Meine Damen und Herren in der SPD: Sie als SPD schreiben sich groß auf Ihre Fahne, sich sozial zu engagieren und für Frieden, Menschenrechte und Menschenwürde einzutreten. Das Vorhaben Ihrer Parteispitze aber ist das komplette Gegenteil: Es ist die blanke Unterstützung eines Unterdrückerregimes, eines Staates, der internationales Recht und internationale Resolutionen nicht nur missachtet, sondern mit Füßen tritt.
Einige Tatsachen über die Negev und das zionistische Vorgehen gegen die palästinensischen Ureinwohner sollten Ihnen die Augen öffnen über die Tragweite des Vorhabens Ihrer Parteispitze.

  • Seit der Vertreibung der Mehrheit des palästinensischen Volkes aus ihrer Heimat versucht Israel die verbliebenen Beduinenstämme in der Negev mit Zwangsansiedlung und Beschneidung ihrer elementaren Rechte ebenfalls aus der Heimat zu verdrängen.
  • Die Zerstörung von Häusern, Baracken und Zelten in den Dörfern der Negev gehört zum Alltag. Das letzte Beispiel in dem Dorf A´arakib beschäftigte unter anderem zahlreiche internationale und deutsche Menschenrechtsorganisationen.
  • Fast ein Drittel der Ureinwohner – und das sind immerhin über 86.000 palästinensische Beduinen – leben nach 65 Jahren israelischer Staatsgründung immer noch in so genannten „nicht anerkannten“ Dörfern. Sie sind unerwünschte israelische Staatsbürger. „Nicht anerkannte“ Dörfer bedeutet Menschenansammlungen, teilweise mehrere Tausend in jedem Dorf, ohne jegliche zivilisatorische Grundlagen – ohne Wasser, ohne Strom, ohne Straßen, ohne Schulen, ohne Gesundheitsversorgung. Also praktisch ein Leben, das dem Warten auf den Tod gleichkommt. So leben die Menschen in der so genannten Oase der Demokratie im Nahen Osten.
  • Die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Beduinen in der Negev lebt von der Viehzucht – und das seit Jahrhunderten. Das israelische zionistische Regime versucht seit der Gründung des Staates diesen Menschen ihre Lebensgrundlage durch Ausdehnung der militärischen Sperrgebiete, Landenteignung und Siedlungsbau zu berauben.
  • Darüber hinaus sollte Ihnen bekannt sein, dass gerade das für den „Wald in der Wüste“ benötigte Wasser aus palästinensischen Quellen entnommen und den Palästinensern vorenthalten würde.

Ihre propagierte Verbundenheit sollte Menschlichkeit und Würde sowie die Achtung der bürgerlichen Rechte der Menschen, die seit Jahrzehnten um ihr nacktes Überleben kämpfen, nicht konterkarieren. Sie verschenken einen Wald an ein Regime, das in den vergangenen 20 Jahren über 600.000 Olivenbäume und Zitrusbäume in der Nachbarschaft der Negev– im besetzten Palästina – abgeholzt hat. Ist dieser verschenkte Wald nicht buchstäblich mit blutigen Blättern versehen?

Meine Damen und Herren in der SPD: Das Vorhaben Ihrer Parteispitze ist eine direkte Unterstützung, Hunderttausende von Menschen, zu unterdrücken und sie aus ihrer Heimat zu vertreiben. Ihr Vorhaben ist der blanke Hohn, eine Ohrfeige für Frieden, Menschenrechte und Menschenwürde.


Hannover 13.12.2012

Raif Hussein

http://www.salamshalom-ev.de/leserbriefe.html

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