Krieg und Hilfe

08.04.2013 jW

Die Finanziers humanitärer Unterstützung in Syrien und von Waffen für Aufständische sind ein und dieselben. Heute treffen sie sich wieder in Berlin

Von Karin Leukefeld

Reichlich Munition: Waffe eines Kämpfers der »Freien

Reichlich Munition: Waffe eines Kämpfers der »Freien Syrischen Armee« am 31. März in einem Vorort von Damaskus

Am heutigen Montag trifft sich in Berlin erneut die Arbeitsgruppe »Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung« der »Freunde Syriens«. Eine Sprecherin des Außenministeriums wollte auf jW-Anfrage den Termin zwar nicht bestätigen, räumte aber ein, daß »sich zu Syrien immer wieder Arbeitsgruppen treffen« würden. Arabische Quellen, bekräftigten derweil gegenüber jW, daß heute über den Wiederaufbau Syriens (nach dem Sturz von Präsident Assad) in Berlin diskutiert wird.

Das Treffen wird vermutlich von dem von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) getragenen »wirtschaftlichen Wiederaufbaubüro« ausgerichtet, einem Gremium der »Freunde Syriens«, das eng mit dem »Syrischen Wirtschaftsforum« syrischer und anderer Geschäftsleute und dem Syrischen Nationalrat kooperiert. Nach Ansicht der Autoren der Studie »Vom Aufstand zum Krieg in Syrien« (Bertelsmann Stiftung) sollte dieses Büro »dringend politisch dynamisiert und personell aufgestockt werden«.

Spaltung des Landes

Wirtschafts- und Finanzsanktionen, die die EU über Syrien verhängt hat, sollen nach Ansicht von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) so gelockert werden, daß der Opposition der Wiederaufbau in den von ihr kontrollierten Gebieten erleichtert werde. Das erklärte Westerwelle nach dem Treffen der EU-Außenminister am 22. März in Dublin. Die syrische Opposition müsse »auf jede verantwortbare Weise« gestärkt werden. »Infrastruktur, Wasser, Elektrizität, Gesundheitsversorgung – das ist etwas, was wir nicht aus dem Fokus verlieren dürfen«, so Westerwelle. Darum dürfte es auch jetzt gehen.

Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit haben bisher 118 Millionen Euro Hilfsgelder an internationale, deutsche und syrische (oppositionelle) Hilfsorganisationen überwiesen. Zwar werden mit dem Geld auch die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz unterstützt, die sich an das humanitäre Völkerrecht halten und gemäß einer Vereinbarung mit der syrischen Regierung im Land arbeiten. Die Finanzierung von Projekten privater »Nichtregierungs«-Organisationen (NGOs), die mit den Aufständischen in Syrien in umkämpften (»befreiten«) Gebieten kooperieren, widerspricht aber dem humanitären Völkerrecht und trägt zu einer Spaltung des Landes bei. Diplomatische Initiativen der Bundesregierung für eine friedliche Lösung durch Verhandlungen bleiben ohnehin aus.

Bei einer Veranstaltung der Union der syrischen Studenten und Akademiker e.V. (USSA) zum zweiten Jahrestag der »Syrischen Revolution« diskutierten am 22. März Vertreter der Bundesregierung mit Vertretern von deutschen und syrischen NGOs und der Opposition darüber, wie die humanitäre Hilfe verstärkt werden kann. Der persönliche Beauftragte Westerwelles für die arabische Welt, Volkmar Wenzel, teilte dabei das Podium mit dem Botschafter der Nationalen Koalition (Paris) und dem stellvertretenden Vorsitzenden der syrischen Muslim-Bruderschaft. Beide Organisationen verweigern die Bildung einer Übergangsregierung nach dem von den Vereinten Nationen ausgehandelten Genfer Abkommen und fordern mehr Waffen für ihre Kämpfer. Humanitäre Hilfe verschafft dieser Strategie wichtige Rückendeckung.

NGOs wie »Ärzte ohne Grenzen« und »Grünhelme« plädieren seit langem für die Schaffung von »humanitären Korridoren«, um die Hilfe für die von den Aufständischen »befreiten Gebiete« auszuweiten. Dafür plädieren auch die Autoren der erwähnten Bertelsmann-Studie, in der es zum Thema »humanitäre Hilfe« heißt: »Um die notleidende Bevölkerung innerhalb Syriens zu erreichen, bedarf es kreativer und unbürokratischer Lösungen.« Die »befreiten Gebiete« sollten besonders unterstützt werden, da »staatliche Dienstleistungen dort nicht mehr funktionieren und Oppositionelle mit der Versorgung der Bevölkerung überfordert sind«. Infrastruktur müsse »zügig wiederaufgebaut werden, vor allem Krankenhäuser und Schulen.« Geberländer sollten dabei »mit NGOs zusammenarbeiten, die sich bereits in Syrien engagieren«. Genannt werden »Ärzte ohne Grenzen«, Grünhelme e.V. und syrische Hilfsvereine im Exil.

Humanitäre Intervention

Um die hier beschriebene humanitäre Intervention könnte es auch heute in Berlin gehen. Nicht nur Agenten ausländischer Geheimdienste und Kämpfer betreten ein souveränes Land illegal, private Hilfsorganisationen sollen ihnen den Rücken stärken. Wie eng Hilfe und Krieg verknüpft sind, beschrieb ein französischer Arzt der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« dem britischen Guardian Anfang 2012. Damals wurde Jacques Bérès aus dem Libanon mit einem Transport der Aufständischen nach Baba Amr gebracht, einem heftig umkämpften Vorort der Stadt Homs. Mit ihm und seiner medizinischen Ausrüstung waren in dem Fahrzeug auch zwei Dutzend Raketenwerfer verstaut, sagte der Arzt und räumte ein, daß es für Hilfspersonal verboten ist, mit Waffen zu reisen. Bei einem späteren Einsatz in Aleppo (September 2012) sagte Bérès, die Hälfte der Kämpfer, die er versorgen würde, seien ausländische Gotteskrieger.

Humanitäre Hilfe für Syrien nimmt den gleichen Weg wie Waffen und Kämpfer. Daß die Finanziers dafür und für den Wiederaufbau »befreiter Gebiete« dieselben sind, zeigt sich an dem Teilnehmerkreis der »Arbeitsgruppe Wiederaufbau«. Bei einem früheren Treffen am 4. September 2012 in Berlin hatten Vertreter von 64 Staaten und sieben internationalen Organisationen teilgenommen, darunter die Arabische Liga, die EU und der Golfkooperationsrat. Die finanziellen Schwergewichte des Golfkooperationsrates – Katar und Saudi Arabien – lieferten seit Anfang 2012 nach Recherchen der New York Times mindestens 3500 Tonnen Waffen an die Aufständischen.

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