Spendenaufruf für Schulkinder in Hebron
Die Palästinenserin Nedaa Amraish wohnt in Graz. Sie kommt aus Hebron, einer der ältesten Städte der Welt. Obwohl die Stadt im Westjordanland zu den proklamierten palästinensischen Autonomiegebieten zählt, ist sie in zwei Zonen geteilt, H1 und H2. H2 wird von israelischen Soldaten kontrolliert und besetzt. Die Lage für die dort lebenden Palästinenser ist sehr hart.
In der Innenstadt von Hebron gibt es zwei Schulen. Die “Qurtuba“ Schule für Mädchen und die “Tariq bin Zyiad“ Schule für Buben. Diese Schulen liegen im H2-Gebiet. Das macht die Situation für die Schüler sehr schwer um zu studieren. Seit 1994 ist die Hauptstraße geschlossen, wodurch die Familien nicht mehr arbeiten und somit auch kein Geld verdienen können.
Nedaa Amraish, ihr Mann und Freunde haben sich entschlossen, diesen Familien mit einer Spendenaktion zu helfen.
Helga Suleiman von der Steirischen Friedensplattform hat mit ihr darüber gesprochen.
Helga: Du hast die Aktion „Spaß und Essen für Palästina“ ins Leben gerufen. Warum?
Nedaa: Weil ich 24 Jahre in Hebron gelebt habe. Und meine Volksschule war in H2, das ist der Bezirk, der seit 1994 unter israelischer Kontrolle ist.
Helga: Wie war dein Schulweg?
Nedaa: Mein Weg war unsicher. Ich musste jeden Tag einen Checkpoint (Straßensperre mit Militärkontrolle) passieren. Unser Haus ist an der Grenze zu H2. Am Checkpoint musste ich meine Schultasche aufmachen, um zu beweisen, dass ich keine Bombe drinnen habe. Und so geht es den Kindern bis heute.
Ich komme selbst aus keiner reichen Familie. Aber es gibt immer Leute denen es schlechter geht. Und das sind die Leute in H2.
Ich habe mir gedacht: Ich möchte nicht warten, bis ich vielleicht einmal reich bin. Ich kann jederzeit beginnen etwas für diese Leute zu tun.
Mein erster Gedanke war, dass ich etwas für die Schüler machen kann. Und ich weiß, wie glücklich sie sind nur über ein kleines Geschenk. Sie kaufen vielleicht alle fünf Jahre eine Schultasche oder borgen sie woanders aus. Alles was nicht nötig ist, kaufen wir in Hebron nicht. So ist eine Kleinigkeit für uns Luxus. Eine Schultasche kostet 12 €. Das ist nicht viel in Europa, vielleicht eine Pizza oder zwei Getränke. Aber dieses wenige Geld hier bedeutet sehr viel Geld in Hebron.
Ich wollte die Leute hier um Spenden fragen, aber dann ich habe gedacht, dass ich was dafür zurückgeben will, und deshalb haben wir das Abendessen angeboten.
H: Wie habt ihr das geschafft?
Wir haben das Abendessen mit unserem Freund Klaus organisiert, er hat das Lokal ‚Cafe Sonnenstrasse‘ zur Verfügung gestellt und wir haben gekocht.
H: Wie viele Leute sind gekommen?
Wir sind sehr glücklich, dass rund 40 Leute gekommen sind, aus der palästinensischen Gemeinschaft und unsere internationalen Freunde.
H: Wissen die Leute hier Bescheid über die Lage in Hebron?
N: Nein. Ich habe mit vielen gesprochen, sie waren überrascht über die Lage dort. Sie wissen nicht, dass Palästinenser und Siedler in einem Bezirk leben und es für die Palästinenser sehr schwer ist.
Es gibt viele Probleme dort, weil die jüdischen Siedler die Häuser der Palästinenser besetzt haben und die Palästinenser sich mit den Siedlern arrangieren müssen.
Im ganzen Bezirk H2 ist das Leben schwer, da die Palästinenser dort keine Geschäfte eröffnen und nicht arbeiten dürfen. Das fällt auf die finanzielle Situation der Familien und der Kinder zurück.
H: Wovon leben die Menschen in H2?
N: Viele der Familienväter haben ein Geschäft in der „Neuen Stadt“. Sie müssen aber durch die Checkpoints und wenn sie Pech haben, können sie nach 19 Uhr nicht zurück in die Altstadt. Die meisten Frauen arbeiten nicht. Denn dort muss immer jemand zu Hause bleiben. Wenn niemand zu Hause ist und die Siedler und das Militär das merken, sprengen sie die Tür auf, gehen hinein und verriegeln das Haus. Kurz darauf wohnt eine Siedlerfamilie darin und die Palästinenser haben das Haus verloren.
H: Wie leben die Kinder in H2?
N: Kinder sind keine Kinder mehr. Denn die Eltern sagen ihnen, dass sie stark sein sollen und keine Angst vor dem israelischen Militär haben müssen. Sie sagen den Kindern: Das ist unser Land, das ist unser Leben – wir verlassen diesen Bezirk nicht und wir tauschen ihn nicht gegen ein anderes Land.
Wenn die Schüler nach Hause gehen, kommen die Siedler mit ihren Kindern, die Steine auf die palästinensischen Schüler werfen. Und natürlich ist das Militär da, aber es tut nichts. Es schützt nur die Siedler. In der Altstadt haben die Siedler die oberen Stockwerke der Häuser okkupiert. Von dort aus werfen sie Glasflaschen auf die Schüler.
Es ist gefährlich, denn manchmal werfen die palästinensischen Kinder Steine auf das Militär und es kann sein, dass sie dann ein oder zwei Nächte im Gefängnis bleiben.
Es gibt eine Dokumentation „This is my land Hebron“ In dieser Dokumentation ist mein Lehrer zu sehen und meine Schule.
H: Gibt es nur solchen Kontakt mit den Israelis?
N: Die Situation mit den Siedlern und den Palästinensern in Hebron ist besonders. Es gibt eine Gruppe im israelischen Militär, die drei Jahre lang in Hebron stationiert waren. Sie nennen sich „breaking the silence“ und jetzt, nach dem Militärdienst sagen sie was sie dort den Palästinensern angetan haben. Sie merken, dass das nicht normal war, denn sie können nach ihrem Armeedienst nicht mehr zurück in ihr normales Leben.
Ich finde das ist gut, denn es bringt mehr Aufmerksamkeit in die israelische Gesellschaft. Es ist wichtig, dass die Israelis merken: Das ist nicht gut. Das geht nicht mehr.
Auch sie sollen über das Unrecht sprechen, nicht nur wir Palästinenser, die wir unsere Häuser, Land und Freiheit verloren haben.
Nelson Mandela hat gesagt: Vielleicht wir können jetzt nichts ändern, aber wir können immer wieder der ganzen Welt sagen, dass uns Unrecht geschieht und dass wir das nicht akzeptieren.
H: Warum ist Hebron so wichtig?
N: Es muss gesagt werden, dass die Siedler in Hebron sehr religiös sind und fest davon überzeugt, dass sie das Land von den Palästinensern nehmen müssen, weil sie glauben, dass ihnen das Gott gesagt hat. Sie beanspruchen Heiligtümer dort. Es sind 700 Siedler und sie haben mehr als 2000 Militärs, die sie beschützen.
Wir in Hebron sehen nur Israelis als Militär oder Siedler. Das hat eine starke Wirkung. Wir können sie uns nicht als normale Menschen vorstellen, die Fußball spielen oder so was.
Eines Morgens kamen Militärs im Morgengrauen und durchsuchten unser Haus.
Mein Bruder war 10 Jahre alt und er schlief draußen. Meine Mutter fragte die Soldaten, ob sie ihn aufwecken gehen kann, doch sie sagten Nein.
So erwachte mein Bruder und sah vor sich einen Soldat mit Maschinenpistole. Sie verhörten ihn und fragten ihn aus, ob er Leute von Hamas oder Fatah kenne. Er konnte nichts sagen und danach sprach er zwei Tage lang nicht.
Und so geht es vielen Kindern. Sie sind traumatisiert. Denn viele Kinder sind gestorben am checkpoint. Sie wurden erschossen. Und weil die Altstadt klein ist kennen sich alle, so waren es ihre Freude oder Verwandte.
Diese Kinder können sich keine Versöhnung mit den Israelis vorstellen. Es ist ein Hass in ihnen, den man nicht herausbringen kann, denn sie wissen: diese Leute haben meinen Freund, meinen Bruder getötet und sie können es nicht vergessen.
Nedaa Amraish wird mit dem gespendeten Geld Bücher, Schultaschen für Bildung und Sportbälle für die palästinensischen Schüler kaufen.
Wenn Sie sich mit einer Spende beteiligen wollen, überweisen Sie bitte an:
Empfängername: Steirische Friedensplattform (bitte unbedingt angeben!)
Verwendungszweck: Schultaschen für Hebron
IBAN: AT15 4666 0000 0005 2128
BLZ: 46660
SPARDA BANK
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