»Wir würden gern einen Politikwechsel der EU sehen«
Johannes Zang
Sari Bashi ist Rechtsanwältin und Mitbegründerin der israelischen Menschenrechtsorganisation GISHA (hebr. für »Zugang«). Sie ist vor 17 Jahren aus den USA nach Israel eingewandert
Die Vereinten Nationen haben 2012 den Bericht »Gaza 2020 – kann man da leben?« veröffentlicht. Wie war die Menschenrechtslage im Gazastreifen vor diesem vierten Gaza-Krieg seit 2006?
Von 1967 bis 1991 verfolgte Israel eine Politik der offenen Grenzen und wirtschaftlicher Integration. Menschen in Gaza wurde es erlaubt, ja, sie wurden sogar dazu ermuntert, in Israel zu arbeiten und israelische Produkte zu kaufen. Im Allgemeinen durften sich die Menschen ziemlich frei zwischen Israel, dem Westjordanland und Gaza bewegen. Ab 1991, vor dem Hintergrund der ersten Intifada und mit dem Golfkrieg als Auslöser begann Israel, den Zugang nach und von Gaza einzuschränken.Unmittelbar vor den jetzigen Kämpfen war das Reisen ins Westjordanland und nach Israel nur noch in Ausnahmefällen möglich.Wie steht es um Export und Import?
Der Export von Waren nach Israel oder ins Westjordanland wird seit 2007 blockiert. Israel schränkt außerdem die Einfuhr von Baumaterialien nach Gaza ein, während andere Güter größtenteils eingeführt werden dürfen. Diese und andere Behinderungen verhindern die Entwicklung im Gazastreifen.Wie schlägt sich das statistisch nieder?
Die Arbeitslosigkeit liegt bei 41 Prozent, die der jungen Menschen bei 58 Prozent. 70 Prozent der Bevölkerung ist auf Lebensmittelspenden angewiesen. Die Wirtschaft liegt am Boden.Können Sie ein Beispiel nennen?
Bis 2007 deckten Hersteller aus Gaza etwa 20 Prozent des Eiscrememarktes im Westjordanland ab. Seitdem verbietet Israel den Eistransport. Israel nimmt sich das Recht, Lastwagen mit Eis aus Gaza zu inspizieren, um zu kontrollieren, ob es wirklich Eis ist. Findet sich kein Sicherheitsproblem mit der Ladung, muß Israel den Transport erlauben. Das tut es jedoch seit 2007 nicht, obwohl es keine Sicherheitsbedenken gibt. Weiterhin verbietet Israel seit dem Jahr 2000 jungen Leuten aus Gaza, im Westjordanland zu studieren.Wie beeinträchtigt der Krieg das Leben auf palästinensischer Seite?
Wir machen uns Sorgen, daß wegen der Schäden infolge der Kämpfe die Strom- und Wasserversorgung zusammenbricht. Die Fähigkeit der Menschen, mit all dem klarzukommen, ist sehr begrenzt – wegen des Mangels an Baumaterial, Ersatzteilen oder Treibstoff und wegen einer desolaten Infrastruktur, die nun auch noch bombardiert wird.Und in Israel?
Verglichen mit der letzten Eskalation im November 2012 erreicht die Gewalt nun viel mehr Gebiete Israels. Bis 2012 betraf Raketenbeschuß aus Gaza nur den Süden des Landes, der schwach besiedelt und wirtschaftlich arm ist. Nun fliegen die Raketen bis Tel Aviv, Haifa und Jerusalem. Das stiftet sehr viel Unruhe, vor allem bei Kindern. Es gibt, im Gegensatz zu Gaza, Bunker und Schutzräume sowie ein Warnsystem. Das heißt: Mehrere Male am Tag rennt man zum nächsten Bunker oder legt sich flach auf den Boden – die Kinder unten, die Eltern darüber, um die Kinder zu schützen. Das ist sehr dramatisch für Kinder. In Gaza, wo es keine Bunker gibt, ist das was ganz Anderes. Dort ist es sehr, sehr schwierig.Was kann Deutschland, was die EU tun, um das Töten zu beenden?
Europa ist hier in der Region politisch und finanziell sehr engagiert. Ich sagte bereits, daß 70 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens auf Lebensmittelgaben angewiesen sind. Ein Großteil des Geldes dafür kommt von europäischen Regierungen. Diese Hilfe verhindert den Kollaps im Gazastreifen. Europa muß von Israel aber verlangen, daß es nicht nur humanitär helfen darf, sondern auch beim wirtschaftlichen Aufbau.Können Sie ein Beispiel nennen?
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