Gegen das Spiel mit dem Feuer

Ein Friedensforscher und Friedenskämpfer: Zum Tod von Peter Strutynski

http://www.jungewelt.de/2015/09-30/016.php
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Aus: Ausgabe vom 30.09.2015, Seite 10 / Feuilleton

Von Werner Ruf
Für Peter Strutynski fand Politikwissenschaft
                  nicht im Elfenbein
Für Peter Strutynski fand Politikwissenschaft nicht im Elfenbeinturm statt – sie hatte den Menschen und ihren Interessen zu dienen

Peter Strutynski war als Wissenschaftler ein durch und durch politischer Mensch. An der Universität Kassel lehrte er Politikwissenschaften. Dieses Fach fand für ihn nicht im Elfenbeinturm statt, sondern hatte seinen Platz in der Gesellschaft, bei den Menschen, deren Interessen hatte es zu dienen. Für ihn war das ein normativer Auftrag, die Wissenschaft hatte einen Beitrag zu leisten für eine gute, das heißt, demokratische und friedliche Gesellschaft.

So fielen für ihn Forschung, Lehre und gesellschaftspolitisches Engagement zusammen und kristallisierten sich im Kampf für den Frieden. Seiner Initiative war die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Friedensforschung an der Universität Kassel zu verdanken, in der wir mit einigen engagierten Kolleginnen und Kollegen über viele Jahre zusammen arbeiteten. Unter dem Dach dieser AG entstand das Projekt der Homepage (http://www.ag-friedensforschung.de), die Peter mit großer Energie und enormem Zeitaufwand pflegte. Diese Website mit ihren bis zu über 100.000 Zugriffen im Monat entwickelte sich zu einer zentralen Dokumentationsstelle der Friedens- und Konfliktforschung, die sowohl von Studierenden als auch von Forscherinnen und Forschern sowie von unterschiedlichsten Organisationen weltweit genutzt wird.

Peter Strutynski wurde im Mai 1945 in Krimml, in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Salzburg geboren. Seine Familie stammte aus Czernowitz in der Bukowina in der westlichen Ukraine. Er studierte und promovierte in Politikwissenschaft an der Universität München. Seit 1977 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel.

Getreu seinem Verständnis von Friedensforschung mobilisierte Peter Strutynski auch vor Ort, er betrieb Studien zur Konversion der Rüstungsindustrie in einer Stadt, deren Wirtschaft davon stark geprägt war. Jahrzehnte lang war er führend im Kasseler Friedensforum tätig. In Zusammenarbeit mit dem Bundesausschuss Friedensratschlag war Peter Veranstalter des seit 1994 an der Universität der Stadt durchgeführten »Friedensratschlags«, einer der Großveranstaltungen der Friedensbewegung, auf der sich jährlich bis zu 400 Wissenschaftler mit Friedensinitiativen und –gruppen aus ganz Deutschland zum Informationsaustauch treffen. In der Arbeitsgemeinschaft Friedensforschung wurde interdisziplinär zusammenarbeitet wie auch im Gesprächskreis Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung, in dem Peter ebenfalls Mitglied war. Auch international war seine Kompetenz immer wieder gefragt: Viele Jahre war Peter ein wichtiger Unterstützer der Sommerakademien und der State-of-peace-Konferenzen des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung.

Er entfaltete eine rege publizistische Tätigkeit. Allein im letzten Jahr erschienen von ihm zwei Bücher: »Ein Spiel mit dem Feuer: Die Ukraine, Russland und der Westen«, bei Papyrossa, und »Umbrüche und Kontinuitäten: Von den Weltkriegen zum ›permanenten Krieg‹?«, bei Winfried Jenior herausgegeben. Daneben ließ Peter es sich nicht nehmen, auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand weiterhin einen Lehrauftrag an der Universität wahrzunehmen, um die Kasseler Tradition der Friedensforschung fortzuführen und den Studierenden näherzubringen. Mit Erfolg konnten wir die 1998 begonnene, jedes zweite Semester durchgeführte »Friedensvorlesung« fortsetzen, die als universitäre Veranstaltung auch dem interessierten Kasseler Publikum offen stand.

In der Nacht vom 26. zum 27. September hat Peter Strutynski seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Er verkörperte in einzigartiger Weise den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und sozialem und politischem Engagement

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