Umweltbewegte, FriedensaktivistInnen und Anti-ImperialistInnen, vereinigt Euch!

Einer der größten organisierten Raubzüge der Geschichte wird vor unseren Augen vorbereitet. Der Westen und seine rechten Partner wollen Venezuela besetzen und putschartig auf die größten Ölreserven der Welt zugreifen. Die Ölreserven der USA reichen bei gleichbleibendem Verbrauch für acht Jahre, die Venezuelas für 69.

Von Tord Björk

Während die USA eine Intervention in Venezuela vorbereiten, bedroht Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die indigenen Völker und deren Reservate mit einer Lawine von Landraubaktionen durch die Konzerne im Amazonas-Regenwald. Bolsonaro hatte sein Denken schon 1988 im brasilianischen Kongress geoffenbart: „Die brasilianische Kavallerie war inkompetent. Kompetent war die Kavallerie der USA, die die Indianer in der Vergangenheit dezimiert hat. Heute haben sie dieses Problem nicht mehr.“

Rund 13 Prozent des Staatsgebiets sind vom Bundesgesetz geschützte indigene Ländereien, die einige der besterhaltenen Urwälder umfassen. Die Indigenen leben dort unter ständiger Bedrohung, vertrieben oder massakriert zu werden. Das Territorium der Karipuna im Bundesstaat Rondônia zählt zu den von Land Grabbing bedrohten Gebieten. Weniger als 60 noch auf dem Gebiet lebende Angehörige der Ethnie waren 2017 laut Staatsanwaltschaft vom Völkermord bedroht. Die NGO Repórter Brasil sieht mindestens 14 geschützte indigene Territorien angegriffen.

Klimaforscher halten die Ermächtigung indigener Völker und deren Land für eine wichtige Waffe gegen den Klimawandel. Aber nicht nur das globale Klima ist bedroht. Land Grabbing für großflächige Monokulturen wie Soja und Viehweiden bedrohen die Artenvielfalt und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, wenn KleinbäuerInnen durch die Agroindustrie vertrieben werden. Diese Entwicklung, die kurzfristigen Interessen der Industrie dient, scheint unaufhaltsam, egal wer gerade regiert. Mit Bolsonaro wird sie weiter beschleunigt.

Die Berichte privater Medien im Dienst der Konzerninteressen und der Finanzindustrie, gemeinsam mit westlichen Bestrebungen des regime change lassen die Lage hoffnungslos erscheinen. Wird einer der größten Regenwälder samt seinem ethnischen und biologischen Reichtum den Interessen der globalen Spekulanten in die Hände fallen und nahezu ausgelöscht werden?

Werden die Kapitaleigner in der Lage sein, ihre Attacke transnational zu beschleunigen, um ewiges Wachstum auf der dünnen Biosphäre, von der wir alle abhängen, zu erreichen?

Oder können wir Widerstand organisieren und neue Horizonte für kommende Generationen und ein gutes Leben für alle schaffen?

Diese Fragen werden zu selten gestellt. Für eine Antwort sollten wir zurückblicken in eine Zeit, als Volksbewegungen historische und grenzüberschreitende Allianzen zwischen unterschiedlichsten Akteuren schmieden konnten und scheinbar unüberwindliche Hindernisse beseitigten, um sich gegen unvorstellbare finanzielle, politische und militärische Macht durchzusetzen.

Schauplatz war das kleine Dorf Xapuri im brasilianischen Amazonas-Bundesstaat Acre. Dieses äußerst entlegene Gebiet war 1985 Schauplatz eines grundlegenden Durchbruchs für die langfristige Beziehung zwischen Bewegungen. Damals schien der Konsens von Washington, die von USA, IWF, Weltbank und deren Verbündeten verbreitete Marktideologie, unaufhaltbar. Die Unterschichten hatten keinerlei Einfluss in den formalen demokratischen Institutionen. Ganz am unteren Ende der sozialen Leiter befanden sich die Gummizapfer, die seringueiros. Unter ihnen gab es nur mehr die Indios, die kaum mehr als Menschen betrachtet wurden.

Die Weltbank unterstützte damals den Bau einer Autobahn durch den Bundesstaat Acre zur peruanischen Grenze. Acre war einer der wenigen Bundesstaaten, der noch nicht mit Autobahnen und Zubringerstraßen in Form eines Fischgrätmusters überzogen war. Sollte es möglich sein, dieses Projekt aufzuhalten, um nicht nur den Regenwald zu schützen, sondern auch die nachhaltige und umweltgerechte Lebensweise der BewohnerInnen?

Mitten im Amazonasgebiet, in einer Gegend, auf die man von außen als „unterentwickelt“ herabsah, war Chico Mendes als eines von 17 Kindern einer Familie geboren. Nur sechs überlebten. Schon mit neuen Jahren verdingte sich Chico als Gummizapfer und fand daher keine Zeit, um Lesen und Schreiben zu lernen. Von jenseits der Grenze kamen aber Männer, die von Marxismus und Arbeiterkampf erzählten. 1975 organisierten die Kautschukzapfer von Xapuri ihre erste Gewerkschaft und Chico Mendes wurde deren Generalsekretär. Da begann der Kampf gegen die Abholzung und für die Erhaltung einer nachhaltigen Lebensweise im Wald. 1985 wurde die nationale Kautschukzapfergewerkschaft gegründet. Sie vernetzte sich mit der Umweltbewegung und Organisationen, die sich gegen die negativen Auswirkungen von Projekten multilateraler Entwicklungsbanken engagierten. Dafür musste die Skepsis gegenüber als „bourgeois“ eingestuften Umweltorganisationen überwunden werden. Wahrscheinlich zum ersten Mal zog eine multilaterale Finanzinstitution ihr Kreditangebot für ein Megaprojekt zurück. 1988 feierte man das als großen Sieg.

Die Allianz der mestizischen Kautschukzapfer mit den Indigenen hat historische Dimensionen, denn der Rassismus, der Solidarität zwischen den Unterdrückten verhindern soll, wurde überwunden. In den folgenden Jahren wurden weitere historische Pflöcke eingeschlagen. 1989 war Acre der erste Bundesstaat, wo die Arbeiterpartei PT gewinnen konnte und eine Ära linksgerichteter Politik in ganz Lateinamerika einläutete. Der Allianz der Kautschukzapfer mit den TieflandindianerInnen im Amazonasgebiet folgte ein Bündnis zwischen Hochland- und Tiefland-Indigenen in Ecuador. Das ist insofern bemerkenswert, da diese beiden Gruppen mehr trennt, als die Vorfahren der Hochlandindigenen, die Inka, und die europäischen Völker. Das Ergebnis dieser Allianz zeigte sich bei der 500-Jahr-Feier des Widerstandes gegen die europäische Invasion 1992. In den Augen der Indigenen in ganz Amerika war die Linke zu stark in westlichen Entwicklungsvorstellungen verfangen, während sie selbst den Fokus auf kulturelle Wiederbelebung und das Durchsetzen ihrer Vorstellung vom Guten Leben richteten. Diese Bewegungen brachten schließlich linke Regierungen in Ecuador, Bolivien und anderswo an die Macht.

Aber was sagt uns das heute? Kurz nach dem Sieg über das Straßenprojekt 1988 wurde Chico Mendes von einem Großgrundbesitzer ermordet, dessen Organisation heute wieder Brasilien und den Amazonas kontrolliert.

Die linken Regierungen, die eine gewisse Demokratisierung gebracht hatten, wie auch die Antiglobalisierungsbewegung, erlitten einen Rückschlag. Was könnte eine neue Wende zum Besseren herbeiführen?

Das System und seine Banken, seine Polizei und Präsidenten, scheinen stärker als je zuvor. Aber ist nicht das Gegenteil wahr? Waren diese jemals so nervös und voll innerer Konflikte? Ist es wirklich so, dass überall außer in Island, wo sie für ihre betrügerischen Praktiken eingesperrt wurden, die Oligarchen und Banker regieren?

Der entscheidende Faktor, der das System zusammenhält, ist die Fähigkeit zu teilen und zu herrschen. Solange die Bewegungen Anliegen, die zusammengehören, getrennt verfolgen, wird das funktionieren.

Der große Ölraub der Geschichte, der sich vor unseren Augen abspielt, ist die größte einzelne Bedrohung für das Weltklima. Konzerne und Banken, unterstützt von der brasilianischen Regierung, bedrohen auch die Artenvielfalt und bereiten einen Genozid vor. Der Wahlsieg des Rechtsextremisten Bolsonaro und der Versuch des Westens, in Venezuela eine rechte Marionettenregierung zu installieren, bedrohen die Volksbewegungen, die für soziale Gerechtigkeit und die Umwelt kämpfen.

Für die staatszentrierte Linke geht es um einen klassischen geopolitischen Kampf gegen die Rechte und den Imperialismus. Für UmweltaktivistInnen ist das, was wir sehen, weniger wichtig, als die Erfüllung des Pariser Klimaabkommens und die Notwendigkeit die PolitikerInnen zu mehr Engagement gegen den Klimawandel anzuhalten. Für die außerparlamentarische Linke sind die Ereignisse vielleicht kompliziert, aber ein Anlass, einmal mehr einen abstrakten Antikapitalismus als Lösung für die Krise auszurufen. Für Menschenrechtsorganisationen, die sich nur für die politischen und nicht die sozialen Rechte einsetzen, kann das auch verwirrend sein.

Alle miteinander erkennen aber hoffentlich ein gigantisches Land Grabbing und Oil Grabbing durch die Reichen, das beendet werden und durch umweltbewusstes Handeln und soziale Gerechtigkeit ersetzt werden muss.

Es ist an der Zeit, die Bewegungen zu einen und zu erkennen, dass wir auch in einer sozio-ökologischen Krise der Zivilisation stecken. Man kann sie auf verschiedene Weise abstrakt beschreiben. Aber die einzige Art, den Kampf für Klimagerechtigkeit zu gewinnen, ist eine Vereinigung mit der antiimperialistischen und der Friedensbewegung. Der Einsatz von Wirtschaftssanktionen und die Drohung mit militärischer Gewalt und Putsch, um die Aneignung der größten Ölreserven durchzusetzen, die Zunahme von Land Grabbing im Amazonas durch die Konzerne und Staatsinteressen stellen die Bewegung für Klimagerechtigkeit vor die größte Herausforderung. Der Kampf kann nur gemeinsam mit den Volksbewegungen in Brasilien und Venezuela und der antiimperialistischen und Friedensbewegungen gewonnen werden.

Der Global Climate Action Day am 15. März und die Demonstrationen am 16. März gegen die Intervention in Venezuela müssen auch zum Protest gegen den Raubzug des Westens um Öl in Venezuela und Land im Amazonas werden.

Es ist an der Zeit, gegen die Inwertsetzung der Natur und der öffentlichen Daseinsvorsorge im Interesse ewigen Wachstums zum Profit von wenigen aufzutreten.

Es ist an der Zeit für eine gerechte Gesellschaft einzutreten, die wenig Energie verbraucht.

Gelingen kann das mit tausenden neuen grünen Abkommen und der Besteuerung der Reichen in jedem Land.

Es ist Zeit, für den Frieden auf der und mit der Erde aufzustehen.

Der Autor ist Koordinator des EU Komitees bei Friends of the Earth, Schweden, und Radakteur des von FriedensaktivistInnen herausgegebenen Ukrainabulletinen

Quellen:
Sam Cowie, The Intercept, 2019, Jair Bolsonaro praised genocide of indigenous people. Now he’s embolding attackers of Brazil’s Amazonian communities. https://theintercept.com/2019/02/16/brazil-bolsonaro-indigenous-land/
Jai Sen, 1999, World to Win—But Whose World is it, anyway? Civil society and the World Bank, the view from the “front”: case studies
https://www.academia.edu/6062147/A_World_to_Win_-_But_Whose_World_Is_It_Anyway_

CC Photo of Chico Mendes and wife in Xapuri can be found here: https://en.wikipedia.org/wiki/Chico_Mendes

 

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