Briefe an österreichische Politiker
Die Steirische Friedensplattform hat bei österreichischen Politikern eine klare Stellungnahme zum Angriff Israels auf den Gaza-Streifen eingefordert. Hier findet ihr die Schreiben der Steirischen Friedensplattform. Sobald wir von den Politikern Antwortschreiben erhalten werden wir diese selbstverständlich ebenfalls veröffentlichen.
Brief an Bundespräsident Dr. Heinz Fischer
Brief an Bundeskanzler Werner Faymann
Brief an Finanzminister Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll
Brief an den Abgeordneten zum EU Parlament Mag. Jörg Leichtfried
Brief an den Abgeordneten zum EU Parlament Univ. Prof. Dr. Reinhard Rack
Weiters haben wir auch ein Schreiben an die israelische Botschaft gesandt:
Brief an die VertreterInnen der israelischen Botschaft in Wien
Jede und Jeder sind aufgerufen ihrerseits weitere Briefe ähnlichen Inhalts an österreichische PolitikerInnen bzw. die Vertretung der israelischen Regierung zu senden.
05 Januar 2009 um 11:24
Ich habe mir die Arbeit angetan, eure Briefe zu lesen und bin bestürzt aufgrund ihrer leichtfertigen Einseitigkeit. Eine sogenannte „Friedensplattform“ sollte es sich in Konflikten, in denen beiden Seiten ihre Anteile haben, nicht so einfach machen. Wenn es schon ums Briefeschreiben geht: Warum ist keiner an die Hamas darunter (ich weiß schon, dass es schwer ist, ihre Adresse zu finden, aber über den Google würde es schon gehen), in dem ihr euch über ihre unkontrollierten Geschosse auf zivile Opfer im Süden Israels beschwert? Habt ihr nachgeforscht, welcher Staat der Hamas vorschwebt – und wozu die Unterstützung durch den Iran dienen soll? Die Hamas wollte diesen Konflikt (wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß) und hat ihn bekommen.
Gewaltloser Protest ist vermutlich die einzige Methode, mit der man Israel treffen kann und auf der ein souveräner Palästinenserstaat aufbauen sollte – aus der Sicht einer Friedensbewegung. Ich weiß, dass Kosova ein schlechtes Beispiel ist.
Weshalb ist euch BriefschreiberInnen kein Brief an die israelische Friedensbewegung „Peace now“ eingefallen, in dem ihr dieser eure Solidarität versichert? Weshalb keiner an Abbas?
Eine Friedensbewegung sollte Partei ergreifen – für den Frieden, aber nicht für eine terroristische Gruppe, die ihre Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt.
Noch ersuche ich nicht, mich vom Emailverteiler zu nehmen, da ich der Überzeugung bin, dass es eine sinnvolle Diskussion geben kann, in der anscheinend festgefahrene Vor-Urteile zu friedensbewegenden verändert werden können…
Herzlich,
Karl Kaser
09 Januar 2009 um 21:05
Servus Karl!
Wir bedanken uns für Dein Interesse an unseren Texten und Deine kritische Reaktion darauf.
Es gibt Konflikte in denen man sich sehr neutralistisch zwischen zwei einigermaßen gleichstarke Kriegsparteien stellen kann. Und dann gibt es solche in denen ein massives Ungleichgewicht an Macht gegeben ist, in denen der stark überlegene Eine seit langer Zeit auf dem Brustkasten des schmächtigen Anderen kniet und ihm nach Belieben die Gurgel zudrückt oder ihm – wenn er ganz brav ist und sich mit seiner hoffnungslosen Lage ermattet abfindet – auch wieder einmal ein bisserl Luft zum Schnaufen lässt (was aber in der Regel dazu führt, dass der untere, weil er weiß dass er das auf Dauer so ohnehin nicht aushält, sobald er sich ein bisserl erholt hat, gleich wieder anfängt im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten wild um sich zu schlagen). Friedensarbeit durch dritte in solchen Konflikten braucht zunächst Parteilichkeit, die dem Stärkeren klar macht, dass er dem anderen die Würde zu wahren, ihm ein Mindestmaß an Recht und Freiheit und ihm so die Voraussetzungen für den Status eines Verhandlungspartners zur Konfliktregelung zuzugestehen hat. Ich bin mit mehreren nahezu gleichaltrigen Brüdern und Nachbarsbuben aufgewachsen. Wir haben viel gerauft, ich weiß wovon ich da rede!
Das Missverhältnis an Macht und Gewalt kannst Du auf zahlreichen Gebieten nachvollziehen: Von den Opferzahl-Relationen bis zur „Qualität“ der eingesetzten Waffen: So wurden 2006 insgesamt 657 PalästinenserInnen aber nur 23 Israeli getötet, 2007 dann 379 PalästinenserInnen und 13 Israeli (Angaben von B´Tselem, der größten Menschenrechtsorganisation Israels). Auf einzelne konkrete Auseinandersetzungen bezogen gibt es gar ein Missverhältnis von 100 zu 1! Und zur Waffentechnik: Die Hamas schießt mit nicht steuerbaren Selbstbau-Raketen mit 0,5 – 10 kg TNT Sprengkraft, die IDF mit Bomben und Lenkraketen mit zig-facher Sprengkraft.
Und gar nicht reden wir da von der langjährigen hintergründigen strukturellen Gewalt: Etwa davon, wie wenig Israel – entgegen seiner völkerrechtlichen Verpflichtung – in all den Jahren getan hat um in den besetzten Gebieten den Wohlstand der dort lebenden arabischen Bevölkerung zu sichern (Ausgaben für die Bildung, Ausgaben für die Infrastruktur, Ausgaben für die Schaffung von Arbeitsplätzen etc. etc. etc.).
Nebenbei: Natürlich war dieses Missverhältnis der Macht so nicht immer gegeben. Aber ganz eindeutig besteht es jedenfalls so seit 1967. Und die eigentliche Tragik für Israel besteht ja darin, dass es – mit Ausnahme einer hellsichtigen Minderheit – nicht zu erkennen vermag, dass dann, wenn sie mit dieser Politik fortfahren, das Verhältnis – vermittelt über die internationale Politik und die Entwicklung in den islamischen Staaten – über kurz oder lang zu seinem Ungunsten kippen wird.
Wer Gewalt, die aus einem hohen Maß an unmittelbar empfundener Verzweiflung erwächst, gleichsetzt mit Gewalt, die zwar durch allgemeine Sicherheitserwägungen motiviert ist, letztlich aber doch in kühl-strategischen Planungsszenarios ihren Ausgang nimmt, ignoriert absichtlich oder unabsichtlich wesentliche Grundgegebenheiten menschlichen Handelns. Das gilt für das Individuum ebenso wie für Kollektive.
Natürlich lehnen wir auch wir die Raketenattacken der Hamas ab. Aber eine Gleichsetzung dieser Gewalt mit der von Israel ausgehenden und ein daraus logisch folgender Neutralismus zwischen beiden Streitparteien empfinden wir als intellektuelle Zumutung. Wir beschäftigen uns nicht seit Jahren mit Problemen des Frieden, um dann – als opportunes Zugeständnis an die allgemein mangelnde Bereitschaft zur konkret gelebten Solidarität – unsere theoretisch erarbeiteten inhaltlichen Positionen gegen eine unverbindlich-bequeme formale Mittelposition aufzugeben.
Das alte Problem der bürgerlichen Intellektuellen: Wenn´s brenzlig wird, verkommt gelebte empathische Solidarität zum Neutralismus. Rechts und links sind´s gleich bös, also stellen sie sich schön in die Mitte und nützen – da es ja kein Vakuum der Macht gibt – objektiv der stärkeren Partei. Historisch weitgespanntere kritische Analysen, die den Konflikt in seiner Tiefendimension erfassbar und in seinen Lösungsmöglichkeiten sichtbar machen würden, werden nicht angestellt, weil das ja wieder zu solidarischer Parteilichkeit führen müsste. Genau dass ist auch der Dreh in der israelfreundlichen veröffentlichten Meinung hierzulande. Man beschränkt sich auf das von Israel forcierte Spiel der „zuerst bös gewesenen Raketenschießer aus dem Gazastreifen“. Dass die ihrerseits wieder genauso gut begründet darauf hinweisen können, dass ihren ersten Raketenabschüssen bzw. der Beendigung des Waffenstillstandes Übergriffe der anderen Seite (gezielte Liquidationen führender Hamas-Vertreter, Nichtauszahlung von vereinbarten Geldern, Boykottmaßnahmen lebenswichtiger Güter, Militäraktion Israels im Gaza-Streifen zur Zerstörung eines Tunnels, etc. Lies nach – nicht auf der Homepage der Hamas sondern bei Gush Shalom) vorausgegangen waren, bleibt dabei unterbelichtet. Und selbst, wenn man auch diese zweite Seite zur Kenntnis nimmt, so bleibt es letztlich doch oder nunmehr erst recht das Spiel von scheinbar „einfach bösen Buben“, die sich beide, wie in der Schulklasse gegenseitig die Schuld zuschieben, „zuerst angefangen“ zu haben.
Was im Palästina-Konflikt in der öffentlichen Debatte des Westens seit jeher fehlt ist die kritische Mitberücksichtigung der größeren historischen Zusammenhänge. Diese seien an drei Problemkreisen fragmentarisch dargestellt:
1. Die Geschichte des Sentiments: Unsere Großväter und Väter – die Omas und die Mamas haben, zu Ihrer Ehrenrettung sei´s betont, meist nur skeptisch oder traurig zugeschaut – haben der im 3. Stock wohnenden jüdischen Familie in einer dunklen Nacht die Wohnung angezündet. Die sind dann aus dem Fenster gesprungen und Shlomo, der jüdische Vater, ist auf einen unten stehenden Palästinenser gefallen, der hat ihm den Sprung abgefedert, ist seither aber selbst querschnittsgelähmt. Bleiben wir im Bild: Der Jude hat es verabsäumt darüber jemals ein Wort des Bedauerns zu sagen und erst recht hat er es nicht für notwendig erachtet, die arabische Familie mit dem querschnittsgelähmten Vater zu entschädigen oder sonstwie nennenswert zu unterstützen. Infolge des Unfalls bzw. der Arbeitsunfähigkeit des Vaters ist die palästinensische Familie verarmt, konnte sich das Häuschen samt Grundstück am Stadtrand nicht mehr leisten, das hat sich die teilweise überlebende jüdische Familie, die ohnehin eine neue Bleibe brauchte, günstig angeeignet. Sie wollte die Vorbesitzer eigentlich mit Gewalt ganz vom Grundstück weg haben, musste aber nach einiger Zeit einsehen, dass das nicht zu machen war und hat vorerst unwillig deren Verbleib im Gartenhaus am Rand des Grundstücks akzeptiert. In der Hoffnung die BewohnerInnen des Gartenhauses zu zermürben und sie so zum freiwilligen Wegzug oder zumindest zum Einverständnis in eine dauerhafte Paria-Existenz zu bewegen zu können, trachtete man aber ihnen das Leben so unbequem wie möglich zu machen. Zuletzt bauten die mächtigen Nachbarn rund um das Gartenhaus eine hohe Mauer und wenn die Gartenhäusler nicht so gespurt haben wie die Mauerbauer dies in ihrem Bedürfnis nach Ruhe erwartet haben, sie etwa zu laut waren, haben sie auch noch den Zufahrtsweg zum gemeinsamen Grundstück gesperrt. Dadurch konnte die erkrankte Oma nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden und ist so vorzeitig verstorben. Daraufhin haben die Gartenhäusler wieder verstärkt mit der Steinschleuder auf die Glasveranda des nachbarlichen Herrenhauses zu schießen begonnen. Und immer so fort. Wesentlich dabei ist immer: Kein Wort der Anerkennung des Leidens der anderen Seite, keines des Bedauerns oder gar der Entschuldigung von Seite des offiziellen Israel, keinerlei Angebot der Entschädigung. Aber fortgesetzte Missachtung von Rechten, alltägliche Schikane und Verletzung der Würde!
Um das Gewaltpotential derartig vorgängiger Geschichten – die von Seite der PalästinenserInnen als permanenter Unfrieden erlebt und natürlich immer wieder immer zu manifesten gewalttätigen Reaktionen führen – erfassen und verstehen zu können, hat Johan Galtung vor Jahrzehnten den Begriff der „Strukturellen Gewalt“ geprägt.
Frage1: Warum willst Du diese emotional relevante strukturelle Dimension der Geschichte nicht wahrzunehmen und ihr in Deiner Positionierung nicht entsprechen?
2. Der noch immer wirkmächtige Traum der Zionisten von Großisrael und das was ihn verunmöglicht und was es daher nicht geben darf – „das palästinensische Volk“. Das „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ – schon der gedankliche Ansatz Theodor Herzls war eine gigantische und folgenschwere ideologisch-verzerrte Erkenntnis von Wirklichkeit! Im Unabhängigkeitskrieg kamen sie dieser Fiktion ein gutes Stück weit näher. Systematische Massaker in arabischen Dörfern (z.B. Deir Yassin) und Vertreibung von mehr als 700.000 AraberInnen. Viel später, 1974, war ich einige Wochen in Israel-Palästina. Herzls Diktum war in den Köpfen der Israelis immer noch da, ausgedünnt zwar, aber doch. Golda Meir war Ministerpräsidentin. Ihre von meinen europäisch-liberal-zionistisch geprägten israelischen Gastgebern in Herzlia nachgebetete Losung war: „Es gibt kein palästinensisches Volk!“ Was insoweit logisch konsequent war, weil man einem Volk ja politische Rechte hätte zugestehen müssen. Für mich war diese Losung damals lächerlich: Überall war neben israelischem Volk auch palästinensisches Volk zu sehen!
Die PalästineserInnen haben sich über die Organisation der PLO dann als „Volk“ so bemerkbar gemacht, dass die Rede von „es gibt kein Volk“ nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte (international passierte das übrigens „erfolgreich“ durch Terroranschläge!). Jetzt zogen die Israelis – gemeint ist natürlich immer die Regierung und die sie unterstützende Mehrheit – die Argumentationslinie neu: Volk und auch politische Repräsentation, na gut, aber die Repräsentation die sie haben, die PLO, die akzeptieren wir nicht! Das ist eine Terrororganisation, deren Führer natürlich für Israel als Verhandlungspartner nicht in Frage kämen (sonderbarerweise auch nicht für Begin und Schamir, die selbst als Mitglieder zionistischer Terrororganisationen den Staat Israel mit herbeigebombt hatten!).
Uri Avnery, selbst seinerzeit – schon als Kind von seinem Vater angemeldet! – Mitglied der „Irgun“ hat vor zwei Jahren bei seinem Vortrag in Graz diese Chuzpe in dreifacher Weise auf den Punkt gebracht: a. Die Freiheitskämpfer der Gegenseite heißen Terroristen, die Terroristen der eigenen Seite heißen Freiheitskämpfer! b. Ein wesentliches Element von Friedensschlüssen nach Konflikten liegt darin, dass man ihn nur mit Feinden machen kann. c. Der argumentative Dreh der Israelischen Regierungen zur Untermauerung der Unmöglichkeit des Friedens liegt jeweils darin, dafür „auf der anderen Seite keinen Partner zu haben“. Also ist Friede „irreal“ und man kann seinen alten zionistischen Großisrael-Träumen nachhängen. Dass dieser zwar so nicht mehr realisierbar ist, haben natürlich auch die hardcore-ZionistInnen begriffen, aber „vielleicht doch in abgeschwächter Form, mit völlig abhängigen Bantustans in der Westbank und im Gaza“. Und Friede gibt´s aus dieser Perspektive natürlich nur als von Israel oktroyiertes einseitig-„gnädiges“ und jederzeit zurücknehmbares Zugeständnis (so wie man es beim Abzug aus dem Gaza machte)!
Kreisky, der Weitsichtige und andere (Olof Palme etc.) haben diese zionistische Logik gut durchschaut und daraus den notwendigen Schluss gezogen. Er hat Arafat auf die Internationale Bühne geholfen und ihn so für die Israelis als Gesprächspartner für einen Friedensprozess unumgehbar gemacht.
Frage2: Warum fällst Du mehr als 20 Jahre nach Kreisky auf die politisch unfruchtbaren Positionen vor Ihm zurück?
3. Divide et impera – das Spezifikum der „Friedenspolitik“ Israels. Du verlangst, dass wir uns von der Hamas und ihren Positionen distanzieren. Das inhaltlich zu tun ist mir kein Problem. Ich hab mit fundamentalistischer Religiosität und einer von dieser Religiosität geprägten Politik nichts am Hut. Trotzdem halte ich eine derartige Distanzierung in dieser Situation für nicht vordringlich. Ich will ja nicht blauäugig in die große propagandistische Falle Israels – „teilen und herrschen“ tappen.
Notwendig ist ein Gesamtfriedensprozess im Raum Palästina. Genau das hat Israel bis dato erfolgreich verhindert indem es darauf abgezielt hat die Friedensfrage und die davon betroffenen potentiellen Gesprächspartner zu fragmentieren. Mit den umliegenden Staaten sollten unter Ausklammerung der Frage der Rechte der PalästinenserInnen Einzelfriedensverträge geschlossen werden und die PalästinenserInnen sollten – im zutreffend umgangssprachlichen Wortsinn – „übrigbleiben“ . Mit Ägypten und Jordanien ist das gelungen. Um Syrien wird derzeit geworben. Im Libanon ist das gründlich danebengegangen. Das israelische Kalkül: Wenn es keine staatlich organisierten äußeren Schutzmächte für die PalästinenserInnen mehr gibt, die das Faustpfand des Friedens als Hebel dazu benutzen, Gerechtigkeit, Recht und Freiheit auch für die PalästinenserInnen abzusichern, dann können wir mit diesen völlig nach unserem Belieben verfahren und brauchen Ihnen nur minimalste Zugeständnisse machen.
Ähnlich auch die Strategie gegenüber den PalästinenserInnen selber. Wie ist es denn zur Stärke der Hamas gekommen?
Erinnere Dich: Zur inneren Spaltung der PalästinenserInnen und zur Schwächung der Fatah, deren Führungspersönlichkeiten Israel parallel dazu mit gezielten Tötungen dezimierte, hat Israel in den 80er- und frühen 90erJahren die Entwicklung der Hamas zunächst wohlwollend zugelassen, manche meinen sogar gefördert. Nachdem Arafat die von den Israelis gewünschte Vorleistung von Friedensverhandlungen, die Anerkennung des Staates Israels geleistet“ hatte, kam es dann zum Oslo-Friedensprozess. Das Ergebnis: Während man um die Aufteilung des Pizza-Stücks „Palästina in den Grenzen nach 1967“ verhandelt hat, „hat Israel nicht aufgehört, dieses Pizza-Stück aufzuessen“ (Michael Tarazi). Statt der Freiheit hatte man eine offizielle Besatzung bekommen. Die Siedlungspolitik samt Land- und Wasserraub gingen unvermindert oder gar forciert weiter. Palästinensisches Alltagsleben wurde durch hunderte Checkpoints zur alltäglichen Schikane und permanent sichtbaren Entwürdigung des Volkes. Nach der – so wie jetzt ebenfalls aus Wahlkampfgründen erfolgten – Provokation Scharons am Tempelberg im Jahr 2000 kam es zur 2. Intifada und am Ende saß Arafat bei Kerzenlicht im Keller seiner Residenz in Ramallah – umstellt von israelischen Panzern. Ein Mehr an Desavouierung seines Führungsanspruches und seiner Friedenshoffnung in den Augen seines Volkes ist schlicht und einfach nicht mehr vorstellbar. Erst auf diesem Hintergrund – und natürlich auch auf jenem der Korruption in der Fatah – gewann die Hamas große politische Bedeutung. Nach Arafats Tod folgte mit Abbas auch deshalb ein für die israelische Führung leicht handhabbarer, gemäßigter und schwacher Chef der Autonomiebehörde, weil Israel die Freilassung des palästinensischen Hoffnungsträgers Marwan Barghouti, einem kräftigen und vom Volk breit unterstützten Politiker, ablehnten.
An den Parlamentswahlen Anfang 2006 wollte sich die Hamas zunächst nicht beteiligen. Sie wurde aber von der EU und den USA geradezu dazu gedrängt sich den Wahlen zu stellen. In der Erwartung, dass es für die Hamas eine Minderheitenfeststellung wird, lag das durchaus auch im Interesse Israels. Als die Wahl aber dann ganz anders ausging, bekam die Hamas in einer international akkordierten Kampagne den eindeutigen Status einer „Terrororganisation“. Man legte Ihr die Latte: Um als Partner in Friedensgesprächen akzeptiert zu werden, wurde ihr zugemutet den Fehler Arafats, den Staat Israel vorweg und nicht erst in einem Friedensvertrag völkerrechtlich verbindlich anzuerkennen, zu wiederholen (als gegebene Realität haben mehrere Hamas-Führer Israel übrigens ohnehin mehrfach ausdrücklich anerkannt!). Als Sie das verweigerte begann ihr systematischer Boykott. Sperre der vertraglich abgesicherten Zahlungen durch die Regierung Israels, Sperre der EU-Gelder, etc. Abbas wurde in der Westbank dazu gedrängt gegen die Hamas-Leute hart vorzugehen, insgesamt wurden ein Drittel der Hamas-Abgeordneten inhaftiert. Die Hamas sicherte sich im Gegenzug durch Verhaftung der Fatah-Kader die Alleinherrschaft in Gaza. Die Hamas kam dabei der Fatah zuvor: Finanziert von den USA und bewilligt von Israel wurden über Ägypten Waffen in den Gaza geliefert und dort die Fatah zu einem Putsch gegen die Hamas zu befähigen. Jedenfalls: Das „clevere“ Teile und Herrsche -Konzept der Israelischen Politik war weitgehend aufgegangen.
All das nicht sehen zu wollen und im gegeben Anlass der Friedensfrage zwischen Israel und Palästina nicht zu berücksichtigen, halten wir für blauäugig.
Frage 3: Warum, Karl, willst Du diese von Israel vorgegebene Dynamik der jüngsten Geschichte in Nahost nicht sehen?
Zusammenfassend: Dieser Friede braucht mehr als nur die selbstverständliche Forderung nach einem beiderseitigen sofortigen Waffenstillstand. Er braucht zunächst vor allem Parteilichkeit zugunsten des seit Jahrzehnten stark unterdrückten und gedemütigten schwächeren Teils. Er braucht aktuell starken internationalen Druck auf Israel, von seiner langfristig irrealen Hoffnung seine Sicherheit allein mit militärischer Stärke garantieren zu können, endlich abzugehen und ein für die PalästinenserInnen verhandelbares ernsthaftes Friedensangebot zu machen.
Was Israel mit Unterstützung der USA und unter den sorgenvoll aber wirkungslos hochgezogenen Augenbrauen der EU derzeit tut, ist nichts anderes als der Al Kaida Rekrutierungshilfe zu leisten. Da magst Du Dich mit einer Haltung der neutralen Äquidistanz und des moralisch geprägten politischen Appells begnügen. Mir ist das zu wenig.
Übrigens: Gern schreiben wir natürlich auch der Hamas und Abbas und machen eine Solidaritätsadresse an Peace Now. Dass wir das nicht getan haben, hat ganz einfach damit zu tun, dass wir uns nicht überschätzen und wir unseren Einfluss am ehesten noch auf die steirische und österreichische Öffentlichkeit und Politik gegeben sehen. Aber nichts spricht gegen Deine Vorschläge. Ich ersuche Dich dafür als Diskussionsgrundlage entsprechende Textentwürfe vorzulegen.
Hinsichtlich einer wirklich weisen politischen Position aus der israelischen Friedensbewegung empfehlen wir Dir die Homepage von Gush Shalom bzw. von Uri Avnery aufzusuchen.
Völlig zustimmen können wir Dir in der Notwendigkeit der permanenten kritischen Diskussion aller, d.h. auch unserer Positionen. Für Deinen Beitrag dazu danken wir Dir.
Für die Friedensplattform
Franz Sölkner