Österreich rüstet auf

Anne Rieger über Neutralität und Pesco

  • Dienstag, 28. April 2020 @ 09:33

Meinung

Ein Drittel der österreichischen Soldat*innen im Einsatz befinden sich im Auslandseinsatz, 1.166 von 3.466. Österreich ist an acht von 47 PESCO-Projekten beteiligt, an einem davon führend.

PESCO, die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Permanent Structured Cooperation), wurde 2017 gemeinsam von den EU-Außen- und Verteidigungsministern von 25 der damals noch 28 EU-Staaten aus der Taufe gehoben. Laut Gründungsurkunde sind die teilnehmenden Staaten 20 bindende Verpflichtungen eingegangen – darunter „regelmäßig real steigende Verteidigungsbudgets“ zu beschließen. Auch die Bereitstellung von Soldat*innen und Waffen für weltweite EU-(Kriegs)einsätze ist Teil von PESCO. Ziel ist die enge Kooperation bei Aufrüstungsvorhaben: „Die EU hat einen großen Schritt in Richtung Verteidigungsunion unternommen“ schreibt „Die Presse“.

Österreich ist am ersten im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur („European Defence Agency“) umgesetzten PESCO-Projekt beteiligt. Dabei soll der Einsatz unbemannter Bodensysteme und Luftdrohnen entwickelt werden, die mit Sensoren ausgestattet werden, um ABC-Kampfstoffe „zeitgerecht“ zu erkennen. Im November hatte der grünaffine Verteidigungsminister Starlinger das Aufrüstungsprojekt unterzeichnet.

Seine Nachfolgerin, Claudia Tanner (ÖVP), fuhr bereits zwei Monate nach der Amtsübernahme zu einem „informellen“ Verteidigungsministertreffen nach Zagreb. Dort „erörterte“ der hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Borell, mit den Minister*innen und dem NATO-Generalsekretär Stoltenberg seine Prioritäten im Bereich der Verteidigung.

Stille Entsorgung der Neutralität

Meist still und großer Öffentlichkeit unbemerkt geht Österreichs im Staatsvertrag 1955 freiwillig festgelegte „immerwährende Neutralität“ in der EU-Aufrüstungspolitik unter. Ein schwerer Eingriff auf die Neutralität war der Beitritt zur „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ im Februar 1995, nur zwei Monate nach dem Beitritt zur EU. Erhebliche Schritte der Regierung zur Aufrüstungsbereitschaft war die Zustimmung zum 2007 vereinbarten Lissabon Vertrag, in dem es im Artikel 47(3) heißt: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“.

Rüstungsbudget steigt

Österreich gab 2016 0,6 Prozent des BIP für Verteidigung aus, das waren 2,4 Mrd. Euro. Der damalige SPÖ-Verteidigungsminister Doskozil hatte aber bereits zusätzliche 1,3 Mrd. Euro bis 2020 für das Heer durchgesetzt. 1,2 Mrd. Euro sollen für Beschaffungen, darunter gepanzerte und ungepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge, auch Infrastruktur für Cyber Defense, bereitgestellt werden und 535 Mio. Euro in die Infrastruktur fließen. 10.000 neue Stellen sollen bis 2020 besetzt werden. Personal unter Arbeitslosen wurde mit medialer Unterstützung angeworben, das zu Auslandseinsätze bereit sein muss.

Starlinger präsentierte 2019 dem Nationalrat den 134 Seiten starken Bericht „Unser Heer 2030“. Danach sollen die Militärausgaben um 156 Prozent auf 5,6 Mrd. Euro (2030) mehr als verdoppelt werden. Für den neutralen Staat Österreich sind das dann ein Prozent des BIP. Die Rüstungsinvestitionen sollen in diesem Zeitraum gar verneunfacht werden. Dagegen sollen die 25 Mio. für die Hacklerpension gestrichen werden. Der Starlinger-Bericht steht – trotzt Corona – weiterhin auf der Web-Seite des Ministeriums.

Auslandseinsätze

Als strategische Zielsetzung für Österreichs Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmte Starlinger neben dem Landesschutz, die Stabilisierung des Westbalkans, den Außengrenzschutz der EU, die Sicherung der Gegenküste Nordafrikas bis zum Subsahara-Afrika, also des eurostrategischen Umfeldes. Er verstand es als „Beitrag zur internationalen Krisenvorsorge im Umfeld Europas inklusive Mitgestaltung der sich immer weiter entwickelnden Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) der EU“.

Schließlich seien „die globalisierte Wirtschaft und somit die Verfügbarkeit von Waren in Österreich von einem stabilen Umfeld abhängig.“ Im November fand das Bundesheer-Manöver „European Advance 2019“ statt um sich für den Einsatz bei den EU-Battlegroups im 2. Halbjahr 2020 „zertifizieren“ zu lassen.

Laut dem schwarz-grünem Regierungsprogramm sollen Auslandseinsätze ein Schwerpunkt des Bundesheeres werden: “Mindestens 1.100 Soldaten“ sollen “als Dauerleistung für Auslandseinsätze“ bereitstehen „bei ausreichender budgetärer Bedeckung.“ Im 2. Halbjahr 2020 sollen wieder über 600 österreichische Soldat*innen im Rahmen der EU-Battlegroups unter der Führung der deutschen Bundeswehr auf Zuruf des EU-Rats innerhalb weniger Tage in Auslandseinsätze ziehen.

Rüstungsforschung

Seit 2014 erhielten österreichische Unis etwa 30 Mio. Euro vom US-Militär. Der Löwenanteil ging an die Uni Innsbruck. Ab 2021 wird ein EU-Rüstungsfonds in der Höhe von 13 Milliarden eingerichtet, ein Drittel davon dient ausschließlich der Förderung von Rüstungsforschung. Rüstungskonzerne wie Airbus, Siemens, Thales, usw. kaufen sich immer mehr in die Forschung ein.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

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