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Die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt sind im Pandemiejahr 2020 trotz Wirtschaftskrise gewachsen. Drei Viertel von ihnen stammen aus den USA und Europa.
BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Angeführt von westlichen Waffenschmieden haben die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt ihren Umsatz im Pandemiejahr 2020 trotz des Einbruchs der Weltwirtschaft gesteigert und einen neuen Rüstungsrekord erreicht.
Wie das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI berichtet, ist ihr Umsatz im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent auf mehr als eine halbe Billion US-Dollar gestiegen, während die globale Wirtschaftsleistung um 3,1 Prozent fiel. US-Konzerne erzielen 54 Prozent, europäische Konzerne (ohne Russland) rund 21 Prozent des Top 100-Gesamtumsatzes; zusammengenommen kommen allein die transatlantischen Großunternehmen damit auf einen Umsatzanteil von drei Vierteln. China (13 Prozent) und Russland (5 Prozent) liegen weit zurück. Der jüngste Aufschwung der Rüstungsindustrie begann im Jahr 2015, unmittelbar nach der Eskalation des Konflikts um die Ukraine; die massive Verstärkung des Machtkampfs gegen China durch die Trump-Administration hat ihn forciert. Längst finden sich unter den Top 100-Rüstungskonzernen auch IT-Firmen; in Zukunft müssen womöglich auch Internetriesen wie Microsoft oder Google in die Liste aufgenommen werden.
Rivalität und Rüstung
Die größten 100 Rüstungskonzerne der Welt haben ihr Geschäft im Pandemiejahr 2020 trotz des allgemeinen wirtschaftlichen Einbruchs ausbauen können. Dies zeigt ein aktueller Bericht des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI. Während die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent schrumpfte, konnten die bedeutendsten Waffenschmieden demnach ihre Umsätze um 1,3 Prozent steigern – auf ein Volumen von 531 Milliarden US-Dollar.[1] Das war mehr als die Wirtschaftsleistung Belgiens (515 Milliarden US-Dollar) und kaum weniger als die Wirtschaftsleistung Polens (594 Milliarden US-Dollar). Die Branche setzt damit ihren Wachstumskurs fort, der 2015 begonnen hat – unmittelbar nach der Eskalation des Konflikts mit Russland um die Ukraine im Jahr 2014 und kurz bevor die Trump-Administration im Jahr 2017 den Machtkampf gegen China massiv verstärkte. Die Umsatzsteigerung im vergangenen Jahr fällt umso mehr ins Gewicht, als ihr sogar die Pandemiefolgen wie etwa die Ausfälle in den Lieferketten nichts anhaben konnten, von denen auch die Rüstungskonzerne nicht ausgenommen waren. In ihr spiegelt sich die zentrale Rolle wider, die die Staaten weltweit angesichts ihrer eskalierenden Rivalitäten der Aufrüstung beimessen.
Transatlantische Spitzenreiter
Der SIPRI-Bericht belegt dabei die mit Abstand führende Rolle der westlichen Mächte in der globalen Aufrüstungsspirale. So handelt es sich bei 41 der 100 größten Rüstungskonzerne um US-Unternehmen, die zusammen einen Umsatz von 285 Milliarden US-Dollar erzielten – 1,9 Prozent mehr als 2019 und 54 Prozent des aufaddierten Umsatzes sämtlicher Top 100-Rüstungskonzerne. Die insgesamt 26 europäischen Konzerne (außer Russland) unter den Top 100 kamen auf einen Umsatz von 109 Milliarden US-Dollar, 21 Prozent des Gesamtumsatzes aller Top 100-Waffenschmieden. Fünf chinesische Rüstungskonzerne kamen auf einen Umsatz von 66,8 Milliarden US-Dollar (13 Prozent), neun russische Waffenschmieden lagen zusammen bei einem Umsatz von 26,4 Milliarden US-Dollar (5 Prozent). Besonders stark steigern konnten ihr Geschäft die fünf Rüstungskonzerne aus Japan sowie die vier aus Südkorea unter den Top 100, die 2020 einen Umsatzzuwachs von 2,7 Prozent (Japan) bzw. 4,6 Prozent (Südkorea) verzeichneten – eine Begleiterscheinung des eskalierenden westlichen Machtkampfs gegen China. Auch die drei indischen Rüstungskonzerne unter den Top 100 legten um 1,2 Prozent zu, während Indiens Wirtschaft insgesamt um verheerende 8,0 Prozent einbrach.
Deutschlands Waffenschmieden
Die deutsche Rüstungsbranche wird in dem SIPRI-Bericht, der vier deutsche Konzerne mit einem Gesamtumsatz von rund 8,9 Milliarden US-Dollar auflistet (1,7 Prozent des Top 100-Umsatzes), in Bezug auf ihr Gesamtvolumen unterbewertet: SIPRI etikettiert zwei große Rüstungskonzerne, die bedeutende Standorte in Deutschland haben, als „Trans-European“, weshalb sie in den Angaben für Deutschland nicht auftauchen; bei ihnen handelt es sich um MBDA mit einem Umsatz von mehr als vier Milliarden US-Dollar sowie insbesondere um Airbus, den elftgrößten Rüstungskonzern der Welt, der seinen Rüstungsumsatz im vergangenen Jahr auf knapp zwölf Milliarden US-Dollar steigern konnte, 21 Prozent seines Gesamtumsatzes. Airbus ist aktuell an Europas größtem und teuerstem Rüstungsprojekt beteiligt, an Entwicklung und Bau eines Kampfjets der nächsten, inzwischen sechsten Generation („Future Combat Air System“, FCAS), dessen Kosten auf eine dreistellige Milliarden-Euro-Summe geschätzt werden.[2] Nach Angaben des International Institute for Strategic Studies (IISS) aus London ist die Bundesrepublik das Land mit den siebtgrößten Rüstungsausgaben weltweit. Zudem war sie im Fünfjahreszeitraum von 2015 bis 2019 viertgrößter Rüstungsexporteur der Welt.[3]
Kampfjets und Kriegsschiffe
Bei den vier deutschen Rüstungskonzernen, die es 2020 unter die Top 100 geschafft haben, handelt es sich um Rheinmetall, ThyssenKrupp, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Hensoldt. Rheinmetall (Düsseldorf, Rüstungsumsatz 2020: 4,2 Milliarden US-Dollar) kann dieses Jahr bislang erneut steigende Umsätze verzeichnen und hat seinen Auftragsbestand – weitestgehend im militärischen Bereich – auf rund 14 Milliarden Euro gesteigert, unter anderem dank einer Bestellung eines Flugabwehrsystems und dank Aufträgen zur Modernisierung von Schützenpanzern.[4] ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS, Kiel) leidet ein wenig darunter, dass der Auftrag zum Bau des neuen Mehrzweckkampfschiffs MKS 180 an die niederländische Damen- und die Bremer Lürssen-Werft ging, konnte aber leichte Einbußen im Jahr 2020 mittlerweile dank des Baus von Kriegsschiffen für die deutsche und die israelische Marine wieder ausgleichen.[5] KMW (München) ist am Bau eines deutsch-französischen Kampfpanzers der nächsten Generation beteiligt, während Hensoldt (Taufkirchen bei München) zuletzt vor allem mit der Lieferung von Sensoren für die türkischen Drohnen Bayraktar TB2 Schlagzeilen machte. Die Sensoren werden von Hensoldt Optronics, einer 70-prozentigen Tochterfirma, in Südafrika hergestellt.[6]
Der militärisch-digitale Komplex
SIPRI weist darauf hin, dass die Rüstungsindustrie – wie auch andere Branchen – in schnell zunehmendem Umfang auf modernste Informations- und Kommunikationstechnologien zurückgreift und dass daher längst große IT-Konzerne unter den Top 100-Rüstungsfirmen zu finden sind – etwa die US-Konzerne Leidos (Rang 16) oder CACI International (Rang 29). Zudem hält das Stockholmer Forschungsinstitut fest, dass vor allem das Pentagon immer öfter die Dienste von Internetriesen wie Microsoft, Amazon sowie Google nutzt – „ein klarer Hinweis, dass das US-Verteidigungsministerium von der technischen Expertise des Silicon Valley etwa in Künstlicher Intelligenz, Maschinellem Lernen sowie Cloud Computing profitieren will. Dabei geht es längst um Aufträge in teils zweistelligem Milliardenvolumen. Allerdings hat der Rüstungsumsatz bei den US-Internetriesen noch nicht die Höhe erreicht, die erforderlich wäre, um sie in die Liste der 100 größten Rüstungskonzerne weltweit aufzunehmen. Mit Blick auf die rasant wachsende Bedeutung des Internet, von Künstlicher Intelligenz und Cloud Computing für die Kriegführung der Zukunft ist dies jedoch wohl lediglich eine Frage der Zeit.
[1] The SIPRI Top 100 Arms-Producing and Military Services Companies, 2020. Stockholm, December 2021.
[2] S. dazu Der High-Tech-Kampfjet der EU.
[3] S. dazu Die Militarisierung der Welt.
[4] Zwischenbericht nach neun Monaten. rheinmetall.com 05.11.2021.
[5] Marc Selinger: Thyssenkrupp might shed naval business. janes.com 07.12.2021.
[6] Daniel Lücking: Krieg unter deutschen Augen. nd-aktuell.de 01.12.2021.

Quelle: German-foreign policy, 10.12.2021
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