Friedenspolitische Diskussion 2

In Fortsetzung der friedenspolitischen Diskussion hat Karl Kaser auf die Antwort von Franz Sölkner wiederum geantwortet:

Friedenspolitische Diskussion 1

Antwortschreiben von Karl Kaser vom 12.01.2009:

Lieber Franz,

ich danke dir für deine ausführliche Erwiderung. Es tut mir leid, dass ich die Ausführlichkeit nicht erwidern kann, aber mir fehlt die Zeit. Ich schätze sehr, dass du und Veronika euch die Zeit genommen habt, euch mit meiner Sicht der Dinge auseinanderzusetzen. Wir kommen aus unterschiedlichen Ecken, unser aller Ziel ist jedoch – hoffentlich – das gleiche.

Was nicht weg zu diskutieren ist, ist der Umstand, dass letztendlich beide Konfliktparteien eine Art von Zustand wünschen, in dem nicht ständig Unschuldige, Frauen, Kinder, Greise und Greisinnen Opfer von Gewalttaten werden. Opferzahlen aufzurechnen bringt nichts. Es bringt auch nichts, die militärische Überlegenheit der Israelis als Argument zu verwenden. Ist mal so. Dass sie diese Überlegenheit in die Realität umsetzen, entspricht (leider) der Logik von eskalierenden Konflikten.

Beide Seiten haben aufgrund ihrer Geschichte eine bestimmte Sichtweise auf den Konflikt. Wenn wir die beiden Sichtweisen nicht respektieren, kommen wir nicht weiter.

Aus meiner Sicht geht es nicht an, den Konflikt quasi als Fußballspiel zu betrachten: Wir als „Friedensplattform“ „halten“ für die Palästinenser, die Anderen werden ausgebuhlt. Hamas-Bomben auf israelische Ziele (zumal weitgehend unlenkbar) sind gut – was/wen immer sie treffen sind gut, israelische Reaktion ist schlecht.

Eskalierende Konflikte nützen nur Extremisten auf beiden Seiten. Dass die Hamas ursprünglich von den Israelis unterstützt wurde, stimmt wahrscheinlich. Weswegen? Weil die israelische Rechte den Konflikt suchte und in der ersten (friedlichen) „Intifada“ in den 1980er Jahren das Hauptproblem des Konflikts sah. Auf die Hamas kann man jetzt „hineindreschen“, auf den waffenlosen Aufstand konnte man damals nicht.

Die PalästinenserInnen sind (leider) in der Strategie gespalten. Abbas als Nachfolger von Arafat mag zwar als Schwächling abgetan werden, aber er hat mehr erreicht als die Hamas bislang. Wir wollen doch einen säkularen Palästinenserstaat – oder?

Ich habe Null gegen den Islam, und seit vielen Jahren versuche ich in meinen Vorlesungen, um Verständnis für seine total positiven Werte zu werben (als Agnostiker). Eine (schiitische) Hamas, die mehr oder weniger von den iranischen Schiiten lebt, als eine Art von Befreiungsbewegung zu akzeptieren, fällt mir schwer.

Es fällt mir auch schwer zu akzeptieren, dass die Hamas (die zugegebenermaßen von der Zivilbevölkerung gewählt wurde) diese nun in Geißelhaft nimmt. Als Linker, Grüner, Humanitärer, Friedenssuchender kann ich mit einer aus meiner Sicht rechtsextremen Vereinigung keine Solidarität entwickeln. Dies gilt für Analoges auf christlicher und jüdischer Seite selbstverständlich auch.

Es geht also nicht darum, die gemütliche bürgerliche Mitte zu suchen, sondern die Augen zu öffnen für jene Kräfte auf beiden Seiten, die es satt haben – seit 60 Jahren- , einander zu bekämpfen, als Israelis, die Arabisch gelernt haben, als AraberInnen Hebräisch gelernt haben, beide Kulturen studiert haben und (vielleicht) beide Kulturen (und viele Gemeinsamkeiten) leben.

Weshalb sammeln wir nicht Geld für solche Organisationen, die wir total (friedensplattformerisch) unterstützen können, anstatt in das aussichtslose Match zu gehen: das lautet, palästinesische Waffen sind besser als israelische. Das wäre etwas, wofür ich mich wirklich engagieren könnte. Also?

Jetzt ist meine „Epistel“ doch länger geworden, aber offenbar steckt ein wirkliches Anliegen dahinter…

Herzlich,

Karl

4 Kommentare zu “Friedenspolitische Diskussion 2”

  1. Georg Nitsche sagt:

    Ich finde, dem Kommentar von Herrn Kaser ist fast nichts hinzuzufügen. Wir haben den tolerierbaren Weg mittlerweile verlassen, und ich begreife nicht, wieso ihr nicht versteht, dass man zu einer gewissen Selbstkritik fähig sein muss. Wir hatten gestern die Diskussion über den Nahen Osten. Diskutiert haben Peter Melvin von der jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden und Fritz Edlinger. Dass kein pro-israelischer Kommentar vorhanden war, lag nicht allein an der Absage der israelischen Botschaft. Es war von Anfang an ein unausgewogenes Verhältnis, das die israelische Botschaft auch nicht akzeptieren konnte. Wenn 3 pro-palästinensische Diskutanten diskutieren, und 1 pro-israelischer, dann kann das keine faire, gleichmäßige Diskussion werden. Und absurderweise bin ich der Ansicht, dass trotz allem der israelische Botschafter den Raum als moralischer Sieger verlassen hätte – weil ihr trotz der Unausgewogenheit auch seinen Kommentaren gegenüber nicht fair gewesen wäret.

    Ich habe das gestern erlebt, dass ich abgewürgt worden bin, nachdem ich die einzige pro-israelische Meinung vorgetragen habe, ich habe sogar dazugesagt, dass es gar nicht meine persönliche Meinung ist. Veronika hat später gesagt, dass sie mich später noch einmal dran nehmen wollte, weil ich zu viele Sachen auf einmal gesagt hätte. Interessanterweise wurde kein anderer Kommentar im Publikum, von denen viele wesentlich länger und ausführlicher waren, abgewürgt. Insgesamt bekam die pro-israelische Sichtweise, vertreten stellvertretenderweise durch mich, in etwa sieben Minuten Zeit, vielleicht auch zehn, für ihre Ausführungen. Die pro-palästinensische bekam zwei Stunden und fünfzig Minuten. Ich bin auch wegen meiner Äußerungen sofort als Rassist beschimpft worden, man hat mir vorgeworfen, ich werfe alle Araber in einen Topf (was nicht der Fall war, ich habe davon geredet, dass der Antisemitismus in der arabischen Welt weit verbreitet ist, und als Beispiel einen palästinensischen Wohnungskollegen genannt, wie gesagt, als Beispiel, nicht als Beweis). Natürlich fällt euch nicht auf, wie die Israelis von Kommentaren der Gegenseite in einen Topf geworfen werden. Franz Sölkner schreibt, wie auf dieser Homepage auch abrufbar, "Politik UND GESELLSCHAFT" Israels seien nicht mehr friedensfähig. Ironie am Rande war, dass sich niemand (mit meiner Ausnahme) ernsthaft über die eindeutig antisemitischen Kommentare von Ante beschwert hat, und dass ich der einzige war, der als Reaktion auf die Kritik am Simon-Wiesenthal-Zentrum klargestellt hat, dass die Erinnerung an den Holocaust wichtig und nötig ist.

    Das Ironische ist, dass ihr der Sache der Palästinenser auf diese Weise nur schaden werdet. Eine Gegenmeinung zu akzeptieren und ihr den nötigen Raum einzuräumen, ohne sie abzuwürgen oder zu diffamieren, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man seine eigene Meinung effizient vertreten kann. Wenn ihr nicht einmal mich hören wollt, wie wäret ihr dann erst mit dem israelischen Botschafter umgegangen? Und, und das ist auch eine entscheidende Frage, wenn ihr auf jede Gegenmeinung so allergisch reagiert, wie erwartet ihr euch dann, euch einmal wirklich in einer öffentlichen Diskussion effizient für eure Sache einsetzen zu können?

    Wenn das euer Verständnis einer Debatte zu Palästina ist – dass pro-palästinensische Diskutanten mit pro-palästinensischen Diskutanten vor einem pro-palästinensischen Publikum diskutieren, dann seit ihr nicht nur unfair, sondern auch unfähig, den Palästinensern ernsthaft zu helfen.

  2. Georg Nitsche sagt:

    Bitte verbessert meinen Kommentar diesbezüglich, dass nicht steht, „dass ich der einzige war, der auf die Kritik am Simon-Wiesenthal-Zentrum klargestellt hat…“, sondern dass steht „dass ich der einzige war, der als Reaktion auf die Kritik am Simon-Wiesenthal-Zentrum klargestellt hat…“

  3. veronika sagt:

    Georg hat darin Recht, dass die Redezeit am 4. Februar ungleich verteilt war. Als Moderatorin habe ich jedoch versucht, alle Leute in der Reihenfolge ihrer Wortmeldung dran zu nehmen, wobei ich dreimal eine Frau vorgenommen habe, um diesbezüglich mehr Ausgewogenheit zu erzielen. Ich habe Georg gebeten, nach einigen Argumenten zu stoppen, damit auf jedes Argument eingegangen werden kann. Es war für mich klar, dass er später noch einen weiteren Teil an Argumenten hinzufügen kann, was auch geschehen ist.Dafür, dass außer Georg niemand die israelische Seite vertreten hat, können wir nichts. Johann hat ausführlich geschildert, wie sehr er sich um einen israelischen Diskutanten bemüht hat. Vielleicht hätten wir im Sinne der Ausgewogenheit zwei Israel- VertreterInnen einladen sollen- die Frage ist nur, ob sie gekommen wären. Das ist jedenfalls eine Anregung für die Zukunft. Als gelernte Mediatorin ist mir die Ausgewogenheit sehr wichtig, wenn auch die Kräfteverteilung in diesem Konflikt real sehr ungleich ist. Stimmen wie die von Georg Nitsche oder Karl Kaser sind für mich jedenfalls eine interessante Bereicherung, die ich nicht missen möchte. Wir reden ja hier über einen Konflikt, in dem es leider keine Gespräche der beiden Seiten miteinander gibt. Das Mindeste, was wir tun können, ist, im Gespräch miteinander zu bleiben! Ich schlage einen internen Diskussionsabend vor, wo zwei VertreterInnen der Friedensplattform zwei KritikerInnen der Friedensplattform-Standpunkte gegenüber sitzen. Alle vier TeilnehmerInnen müssten sich dann auf einen/eine ModeratorIn einigen. So eine Debatte wäre mir ausgesprochen wichtig und ich hoffe, dass sie zustande kommt!

  4. georg nitsche sagt:

    Ich bin auf jeden Fall für so eine Debatte zu haben, und ich hoffe, dass ich von niemandem dafür als „Rassist“ beschimpft werde. Dass ein israelischer Diskutant nicht kommen kann, wenn er gegen drei palästinensische Diskutanten steht, ist klar – man sollte sich also nicht einfach mit Anfragen bemühen, die pro-israelischen Diskutanten zu bekommen, sondern sich auch vorher um die Voraussetzungen dafür bemühen.

    Aber das Problem ist nicht nur die Diskussion, sondern auch die Diskussionskultur. Dazu gehört der Respekt vor anderen Meinungen, und keine Meldungen wie, dass ich ein Rassist sei oder das ihr das alles schon nicht mehr hören könntet…

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