Unterricht für Mädchen

Nach dem Mordanschlag auf Malala Yousufzai in Pakistan: Junge Frauen wollen sich nicht einschüchtern lassen

Von Ashfaq Yusufzai, Peshawar (IPS)
Demonstration gegen den Terror und für das Recht auf Bildun

Demonstration gegen den Terror und für das Recht auf Bildung für Mädchen am Montag in Lahore
Foto: Reuters

Shazia Begum gehört zu den drei pakistanischen Mädchen, die am 9. Oktober bei einem Anschlag der Taliban auf die international bekannte Schülerin Malala Yousufzai verletzt wurden. Die Extremisten hätten es darauf angelegt, eine besonders prominente Verfechterin der Mädchenbildung zum Schweigen zu bringen, sagt die junge Frau, die in einem Militärhospital in Peshawar behandelt wird. »Malala ist für uns im Swat-Tal eine Quelle der Inspiration.«

Der Zustand von Malala, deren Schußverletzungen am Kopf in einer Spezialklinik in Großbritannien behandelt werden, ist nach wie vor ernst. Wie der Informationsminister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Mian Iftikhar Hussain, erklärt, hat Malala die Bemühungen der Regierung unterstützt, die Mädchen in der Region trotz der Drohungen der Taliban in die Schulen zurückzuholen. Daß sie auf der Abschußliste der Extremisten stand, habe sie nicht davon abgehalten, zum Unterricht zu gehen. Für alle anderen Mädchen in der von Gewalt gekennzeichneten Region sei sie zum Vorbild geworden.

Swat ist einer von 25 Distrikten der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und stand von 2007 bis 2009 unter der Kontrolle der Taliban. In jenen Jahren zerstörten die Islamisten etwa 500 Schulen und nahmen damit rund 80000 Schülern die Chance auf Bildung. Bei einer Militäroffensive 2010 wurden die selbsternannten Gotteskrieger aus dem Gebiet vertrieben. »Jeden Tag hängten die Taliban die Leichen ihrer Opfer an Strommasten auf«, erinnert die Parlamentsabgeordnete Bushra Gohar an die dunklen Jahre. »Die Menschen in Swat hielten aus Angst vor den Repressalien der Taliban still. Doch Malala war ein Segen, nicht nur für die Männer, sondern auch für die Frauen.«

Nachdem Malala im vergangenen Dezember für ihr Engagement den Nationalen Friedenspreis erhalten hatten, nahmen die Drohungen gegen sie weiter zu. Sie wurde außerdem als erste Pakistanerin für den Internationalen Kinderfriedenspreis nominiert. Gemeinsam mit ihrem Vater Ziauddin Yousafzai, einem Pädagogen und Sozialaktivisten, hatte sie 2009 das Friedensabkommen unterstützt. Statt die Waffen niederzulegen, begannen die Extremisten von dem angrenzenden Distrikt Buner aus zu operieren. Malala und ihre Familie mußten fliehen. Über ihre Erlebnisse aus dieser Zeit schrieb die Schülerin unter dem Pseudonym »Gul Makai«.

Hussain hat eine Belohnung von umgerechnet 105000 US-Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Festnahme der Täter führen. Die Regierung der Provinz werde alle Kosten tragen, die bei der Behandlung von Malala in Pakistan und im Ausland anfielen. »Wir werden die Spuren des Terroristen verfolgen, der auf Malala geschossen hat, und ihre Angreifer ihrer gerechten Strafe zuführen. Sie werden nicht lange überleben«, erklärt er. Daß die militanten Taliban inzwischen damit begonnen hätten, Kinder anzugreifen, sei ein Zeichen ihrer Schwäche.

»Wir sind äußerst schockiert über den Angriff auf unsere Schwester Malala«, sagt Spogmay, eine Schülerin der Universitätsmodellschule in Peshawar. »Wir wollen ihr in dem Kampf gegen Extremismus und für den Schutz von Schulen folgen.« Die junge Frau hält auf einer Demonstration ein Spruchband hoch, auf dem der Gewaltakt verurteilt wird. »Die Extremisten können unsere Schulen mit Bomben überziehen, doch können sie unsere Überzeugungen nicht auslöschen«, versichert sie.

Seit 2008 haben die Taliban Bildungseinrichtungen in Khyber Pakhtunkhwa und den angrenzenden Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) im Visier. »Diejenigen, die Englisch lernen und modernen Unterricht erhalten, sind keine Muslime«, so Taliban-Sprecher Ihsanullah Ihsan. »Bildung für Mädchen ist im Islam nicht erlaubt, also werden die Taliban diese Schulen nicht dulden.«

Auf einige Schulen werden auch nach der Vertreibung der Taliban aus Swat weiterhin Angriffe verübt. Dem Bildungsminister der Provinz, Sardar Hussain Babak, zufolge würden für jede zerstörte Schule hundert neue gebaut. Die Regierung habe rund 460 Millionen Dollar bereitgestellt, um in den nächsten zwei Jahren die Bildung zu fördern. Der Unterricht für Mädchen stehe dabei im Vordergrund, da sie unter den Taliban besonders gelitten hätten.

Bislang wurden etwa 200 von den Taliban zerstörte Schulen in Swat wieder aufgebaut. Die übrigen Schüler werden in Zelten unterrichtet. Am 12. Oktober blieben alle Schulen in der Provinz zum Zeichen der Solidarität mit Malala geschlossen.

Quelle: JungeWelt 16.10.2012

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