Bericht von J. Windischer, EAPPI Tulkarm

9.6.13   Direkt am Gazastreifen (Sderot)

Wir haben eine starke Frau getroffen: Roni Kelder, ca 70 Jahre alt und sehr, sehr jung.

Roni, Jüdin, israelische Staatsbürgerin, siedelte vor vielen Jahren ihre Familie in Gaza an: sie schufen eine „Garden of Paradise“. Sie mussten Gaza verlassen. Heute wohnen sie in Israel, direkt neben dem Gazastreifen – in Sderot (Nativ Haasara). Sie wollten nahe an Gaza, nahe bei ihren palästinensischen Nachbarn bleiben.

Sderot erlebte vor Jahren Selbstmordattentäter (suicidebombers), etliche Bomben in Bussen und leidet heute unter Raketenbeschüssen. Wenn es Alarm gibt, manchmals täglich, müssen sie in die Luftschutzräume laufen, es gibt einige solcher „Shelter“, manchmal mit Kinderzeichnungen bemalen. Ein neuer Kindergarten ist schon raketensicher gebaut. Falls kein Luftschutzraum da ist, so Roni,und der Alarm da ist, muss man sich einfach auf den Boden werfen und langsam bis 40 zählen. So lange braucht eine Rakete, die meist aus den benachbarten palästinensischen Camps abgeschossen werden.

Dies 40 Sekunden sind schrecklich. Man zählt und weiß nicht, ob die Rakete abgefangen wird, ob sie einschlagt, ob es Leute auf dem Feld, ob es Familienangehörige oder andere getroffen hat. Diese 40 Sekunden fressen sich dann in die Seele ein: Angst und Schrecken. Gleich danach steigen Hubschrauber auf, um den vermeintliche Abschussrampe im dicht besiedelten Camp zu treffen: ein Vergeltungsschlag. Und wieder schreckliche Gefühle: der Vergeltungsschlag findet statt. Hat es Freunde getroffen….sofort laufen die Handys heiß: hat es Freunde getroffen, wie viele Tote.

In diesem Szenarium lebt und kämpft Roni, mit ihrer Familie,mit Kindern und Enkelkindern, mit Freundinnen und Freunden.

Die andere Stimme (Other voices), so heißt die Organisation, die Bewegung:

· Gewalt löst keine Probleme

· man müsse immer wieder reden und vor allem zuhören

· wir reden nicht darüber, wer recht hat und wer nicht

· niemand ist böse geboren

· wir müssen vorwärts schauen

· es gibt Lösungen, diese sind aber Kompromisse

Den Vorwurf eine Träumerin zu sein, lässt Roni nicht auf sich sitzen. Träumer sind die, die Bomben und Raketen werfen, Träumer sind die , die glauben, dass man die Juden ins Meer schicken könne, Menschen, die glauben, dass man mit Gewalt Probleme lösen könne, das sind die Realitätsverweigerer. Und wir gingen mit ihr dann in den Friedenspfad. Er führt zu den Mauern, Radaranlagen, Militärstützpunkten, Hochsicherheitsanlagen, mit direktem Blick nach Gaza, in die Camps.

Zum Schluss meinte Roni: wir könnten in ein Trauma verfallen oder nach vorne blicken. Friede ist möglich, aber man muß ihn tun. Eine starke Friedenskämpferin, direkt an der Front.

J. Windischer (EAPPI Tulkarm)

9.6.2013

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