Gelassen in den Krieg

Frankreichs Freundschaft, Flüchtlingsabwehr und »fairer Handel« sind Deutschlands Interessen in Mali. Dort sollen Soldaten wieder »bereit sein«, für ihr »Heimatland zu sterben«

Von Christian Selz

Ordentlich laden: Ein deutscher Soldat kontrolliert im Mai die P

Ordentlich laden: Ein deutscher Soldat kontrolliert im Mai die Patronenlager der Gewehre malischer Soldaten
Cheick Oumar Diarrah gab sich demütig. Den Blick meist auf den Boden gerichtet, ließ der malische Minister für Nationale Versöhnung und Entwicklung der Regionen des Nordens am vergangenen Freitag in Berlin die jüngere Geschichte seines Heimatlands Revue passieren. Eingeladen hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur Veranstaltung »Den Frieden gewinnen: Nachhaltige Lösungsansätze für Mali«. Von den Wahlen im vergangenen Jahr sprach Diarrah, die »so transparent wie noch nie« gewesen seien, von »Legitimierung in der Bevölkerung«, der »Errichtung eines neuen Staates« und einem »neuen Gesellschaftsvertrag«. Das Bild des westafrikanischen Landes, das im Norden immer wieder von Anschlägen islamistischer Kämpfer erschüttert wird, malte Diarrah so blumig, daß sich fast die Frage nach dem Sinn des geplanten Einsatzes deutscher Truppen stellte.

Den »Kampf gegen den Terrorismus«, der »derzeit dank der französischen Truppen« geführt werde, lobte Diarrah aber natürlich auch noch. Er war schließlich nicht ohne Ziel nach Deutschland gekommen: Malis Regierung braucht die Rückendeckung europäischer Militärmächte. Der Auftritt in Berlin war Teil der Kriegslobby gegen die Rebellen im Norden. Und für Rainer Arnold war er der perfekte Einstieg in sein Plädoyer für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr. Aus seinen Interessen machte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag kaum einen Hehl: »Hätten wir Frankreich hier im Stich gelassen, hätten wir unsere Reden von gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik einstampfen können«, verlegte Arnold die eigentliche Bedeutung des Einsatzes nach Europa. Für Frankreich sei Mali eine »Nagelprobe«, die Bundesregierung hätte »gerade noch in letzter Sekunde die Kurve gekriegt«.

Dabei war es für das Fraktionsvorstandsmitglied auch kein Hindernis, daß über 60 Prozent der Deutschen sich Umfragen zufolge gegen Kriegseinsätze aussprechen. »Trotzdem gelassen« sehe er das, so Arnold, die Frage müsse nur »richtig gestellt werden«. Aus einer »ethischen und humanitären Verpflichtung aufgrund unserer Geschichte« heraus müsse sie statt dessen lauten: »Wollen wir zusehen?« Deutschland habe schließlich »Stabilitätsinteressen«. Zum einen ist das die Abwehr von Flüchtlingen, in deren »Strömen« Arnold zufolge »schwerste Kriminalität mitwandert«. Die »Sicherheit« werde deshalb »längst international verteidigt, nicht nur in Deutschland«. Zum anderen ist da aber auch ein »fairer Handel«, den der SPD-Mann anstrebt. Mali hat Bodenschätze, Gold und Uran, aber so konkret wurde Arnold nicht, er sei schließlich »kein Experte für wirtschaftliche Zusammenarbeit«.

Doch auch in seinem Kerngeschäft sollte dem deutschen Freiheitsverteidiger noch ein Stück unappetitlicher Realität in die Quere kommen. Zu »schlimmen Menschenrechtsverletzungen der malischen Armee« sei es gekommen, »als die Franzosen interveniert haben«, berichtete Fabienne Dietzsch, die für Amnesty International auf dem Podium saß, und von den drei Rednern mit Abstand am seltensten zu Wort kam. Auch »Unbeteiligte« seien von den zu unterstützenden malischen Truppen gefoltert, verschleppt und getötet worden. Erst kürzlich sei wieder ein Massengrab entdeckt worden.

Daß die Kriegslobby Arnolds und Diarrahs dennoch weitgehend unwidersprochen bleibt, liegt auch daran, daß kritische Stimmen aus den Empfängerländern deutscher »Hilfe« nicht erwünscht sind. Das mußte die Rosa-Luxemburg-Stiftung im vergangenen April erfahren. Zusammen mit der Bundestagsfraktion der Linken hatte sie den malischen Oppositionellen Oumar Mariko eingeladen, der den französischen Kriegseinsatz in seinem Land offen kritisiert hatte. Doch Marikos Visaantrag wurde abgelehnt, weil er nach offizieller Lesart »eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit« darstellte. En vogue sind eben andere Stimmen, wie die von Diarrah: »Ein Soldat muß wissen, daß er bereit sein muß, für sein Heimatland zu sterben«, sagte der am vergangenen Freitag. Widerspruch blieb aus.

Quelle: jungeWelt0        5.02.2014 / Schwerpunkt / Seite 3

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