Noch weiter nach rechts. Regierungskrise in Israel
Das geplante Gesetz über den »jüdischen Staat«, immer wieder aufgewärmte aggressive »Transfer«-Debatten, und nicht zuletzt nun auch die Ansetzung von Neuwahlen, um eine noch weiter rechts aufgestellte Regierung zu ermöglichen – all das trägt dazu bei, Verhandlungen über eine politische Verständigung mit den Palästinensern dauerhaft unmöglich zu machen. Israels nächster Regierung werden voraussichtlich nur noch Parteien angehören, die explizite Gegner eines Palästinenserstaates sind. Ohne massiven internationalen Druck auf Israel sind Verhandlungen von vornherein aussichtslos.
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Knut Mellenthin
03.12.2014
Israels Premier Benjamin Netanjahu wünscht sich eine noch mehr nach rechts verschobene Regierungskoalition. Deshalb feuerte er am Dienstag abend Justizministerin Tzipi Liwni und Finanzminister Jair Lapid. Die beiden sind die Führer von Hatnua und Jesch Atid, den beiden einzigen Parteien der Koalition, die nicht zur extremen Rechten gehören. Gleichzeitig gab Netanjahu bekannt, dass er so bald wie möglich Neuwahlen durchführen lassen wolle. Am Mittwoch stimmte die Knesset mit großer Mehrheit ihrer Auflösung zu. Gewählt werden soll am 17. März 2015. Regulär wäre eine Parlamentswahl erst im Januar 2017 fällig gewesen.
Netanjahu rechnet offenbar damit, dass es aufgrund seiner anhaltend hohen Popularität für ihn günstig ist, jetzt schon Neuwahlen zu erzwingen, bevor die wirtschaftlichen Krisenerscheinungen, die in eine schwere Rezession überzugehen drohen, sich verschärfen. Mit Liwni und Lapid hat der Premier die beiden Regierungsmitglieder vor die Tür gesetzt, die sich am klarsten gegen ein geplantes Gesetz ausgesprochen hatten, durch das der Charakter Israels als »jüdischer Staat« bekräftigt und ausgeweitet werden soll.
Wodurch ein Staat als »jüdisch« definiert wird, vermag niemand eindeutig anzugeben, zumal in Israel sogar über die Frage, was eigentlich »jüdisch« bedeutet, heftig gestritten wird. Fest steht nur, dass die Araber, die rund ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmachen, aber in allen relevanten Bereichen von Politik, Wirtschaft und Kultur kaum vertreten sind, die Opfer des neuen Gesetzes sein werden. Gleichzeitig wird ein weiteres Gesetz vorbereitet, das die arabischen Abgeordneten der Knesset dazu verpflichten soll, einen Eid auf den »jüdischen Staat« abzulegen. Das dient, zusammen mit anderen Maßnahmen, dazu, arabische Politiker völlig aus der Knesset zu verbannen.
Außerdem hat Außenminister Avigdor Lieberman sein altes Projekt aktualisiert, Israels arabische Bewohner, die man kaum als Bürger des Landes bezeichnen kann, zur »freiwilligen« Massenemigration zu veranlassen. Wer geht, soll mit Bargeld belohnt werden. Die Idee ist älter als der Staat Israel, wird meist als »Transfer« bezeichnet und gilt durchaus nicht als schändlich. Die Mehrheit der jüdischen Israelis sympathisiert sogar mit solchen Plänen, wie regelmäßige Umfragen seit Jahrzehnten bestätigen.
Das geplante Gesetz über den »jüdischen Staat«, immer wieder aufgewärmte aggressive »Transfer«-Debatten, und nicht zuletzt nun auch die Ansetzung von Neuwahlen, um eine noch weiter rechts aufgestellte Regierung zu ermöglichen – all das trägt dazu bei, Verhandlungen über eine politische Verständigung mit den Palästinensern dauerhaft unmöglich zu machen. Israels nächster Regierung werden voraussichtlich nur noch Parteien angehören, die explizite Gegner eines Palästinenserstaates sind. Ohne massiven internationalen Druck auf Israel sind Verhandlungen von vornherein aussichtslos.
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