"Zu einer ausschließlich friedlichen Lösung gibt es keine Alternative"

Dokumentiert: Die Minsker Protokolle von 2015 und von 2014

Im Folgenden dokumentieren wir:

  1. eine von der Bundesregierung herausgegebene Erklärung zum Minsker Gipfel Februar 2015
  2. dem 13-Punkte umfassenden Friedensplan für die Ostukraine im Februar 2015
  3. die Vorgänger-Vereinbarung aus dem September 2014, ebenfalls Minsk
  4. die Vereinbarung von Minsk 2014 aus Sicht der OSZE


Offizielle Erklärung vom Minsker Gipfel

Wir dokumentieren die offizielle Erklärung vom Minsker Friedensgipfel, so wie sie von der Bundesregierung herausgegeben wurde:

„Erklärung des Präsidenten der Russischen Föderation, des Präsidenten der Ukraine, des Präsidenten der Französischen Republik und der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Maßnahmenpakets zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen angenommen am 12. Februar 2015 in Minsk

Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, der Präsident der Französischen Republik, François Hollande, und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, bekräftigen ihre uneingeschränkte Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine.

Sie sind der festen Überzeugung, dass es zu einer ausschließlich friedlichen Lösung keine Alternative gibt. Sie sind fest entschlossen, zu diesem Zweck einzeln und gemeinsam alle möglichen Maßnahmen zu treffen.

Vor diesem Hintergrund unterstützen die Staats- und Regierungschefs das am 12. Februar 2015 angenommene und unterzeichnete Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, das von allen Unterzeichnern des Minsker Protokolls vom 5. September 2014 und des Minsker Memorandums vom 19. September 2014 unterschrieben wurde. Die Staats- und Regierungschefs werden zu diesem Prozess beitragen und ihren Einfluss auf die jeweiligen Parteien ausüben, um die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets zu erleichtern.

Deutschland und Frankreich werden technische Expertise für die Wiederherstellung des Bankensektors in den betroffenen Konfliktgebieten zur Verfügung stellen, möglicherweise durch die Schaffung eines internationalen Mechanismus zur Erleichterung von Sozialtransfers.

Die Staats- und Regierungschefs teilen die Überzeugung, dass eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der EU, der Ukraine und Russland der Beilegung dieser Krise förderlich sein wird. Zu diesem Zweck unterstützen sie die Fortsetzung der trilateralen Gespräche zwischen der EU, der Ukraine und Russland über Energiefragen mit dem Ziel, nach dem Gas-Paket für den Winter weitere Folgeschritte zu vereinbaren.

Sie unterstützen ferner trilaterale Gespräche zwischen der EU, der Ukraine und Russland, um praktische Lösungen für Bedenken zu erreichen, die Russland mit Blick auf die Umsetzung des tiefgreifenden und umfassenden Freihandelsabkommens zwischen der Ukraine und der EU geäußert hat.

Die Staats- und Regierungschefs bekennen sich unverändert zur Vision eines gemeinsamen humanitären und wirtschaftlichen Raums vom Atlantik bis zum Pazifik auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts und der Prinzipien der OSZE.

Die Staats- und Regierungschefs fühlen sich der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen weiter verpflichtet. Zu diesem Zweck vereinbaren sie die Schaffung eines Aufsichtsmechanismus im Normandie-Format, der in regelmäßigen Abständen zusammentreten wird, und zwar in der Regel auf der Ebene hoher Beamter der Außenministerien.“ * Quellen: FAZ.net, WELT.de u.a., 12. Februar 2015; bundesregierung.de

13 Punkte für Frieden in der Ostukraine **

Nach einem wahren Verhandlungsmarathon in Minsk haben sich die Konfliktparteien auf Einladung Deutschlands und Frankreichs auf einen 13-Punkte-Plan für einen Frieden in der Ostukraine verständigt. Wir dokumentieren im Folgenden das Erreichte:

Das Abschlussdokument des Minsker Gipfels

13-Punkte-Plan für den Frieden Das Abschlussdokument des Minsker Gipfels, mit dem überwiegend das Minsker Abkommen vom September 2014 umgesetzt werden soll, sieht einen Plan mit 13 Punkten vor. Wir dokumentieren die Punkte im Überblick (laut dpa und FAZ.net vom 12. Februar 2015):

  1. Waffenruhe ab Sonntag um 00.00 Uhr.
  2. Abzug der schweren Waffen aus einer Pufferzone. Die Regierungstruppen müssen sich hinter die aktuelle Frontlinie zurückziehen, die Separatisten hinter die im September im Minsker Abkommen vereinbarte Demarkationslinie. Der Abzug der Waffen beginnt am zweiten Tag nach der Waffenruhe und muss nach spätestens 14 Tagen abgeschlossen sein.
  3. Die OSZE überwacht die Waffenruhe und den Abzug der Waffen.
  4. Nach dem Abzug der Waffen sollen Gespräche über Wahlen in Donezk und Lugansk sowie den künftigen Status der beiden Regionen beginnen. Grundlage ist ein Gesetz, mit dem Kiew den abtrünnigen Regionen vorübergehend mehr Selbstständigkeit zugestanden hatte. Das ukrainische Parlament muss innerhalb von 30 Tagen festlegen, für welches Gebiet dies genau gelten soll. Die Regionen können darüber entscheiden, welche Sprache sie nutzen wollen.
  5. Eine gesetzliche Amnestieregelung soll alle Konfliktbeteiligten vor Strafverfolgung schützen.
  6. Freilassung aller Gefangenen.
  7. Sicherstellung humanitärer Hilfsleistungen.
  8. Beide Seiten müssen an einer Wiederherstellung der Sozial- und Wirtschaftsbeziehungen arbeiten, damit etwa die Zahlung von Renten und Steuern wieder aufgenommen werden kann. Kiew verpflichtet sich, den Bankensektor im Konfliktgebiet wieder aufzubauen.
  9. Die Ukraine soll die vollständige Kontrolle über die Grenze zu Russland übernehmen. Dieser Prozess soll nach den geplanten Wahlen beginnen und spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein. Bedingung ist, dass die Verfassungsreformen unter Punkt 11 umgesetzt werden.
  10. Rückzug aller ausländischen Kämpfer, Söldner und Waffen unter Aufsicht der OSZE. Entwaffnung aller illegalen Gruppen.
  11. Bis Ende 2015 muss eine neue ukrainische Verfassung in Kraft treten, die eine Dezentralisierung des Landes ermöglicht und mit Vertretern der abtrünnigen Regionen abgestimmt ist. Ein Gesetz zum künftigen Sonderstatus von Donezk und Lugansk muss ebenfalls bis Jahresende verabschiedet werden.
  12. Wahlen in den abtrünnigen Regionen unter Aufsicht der OSZE, ein Termin ist nicht angegeben.
  13. Die Kontaktgruppe soll noch intensiver zusammenarbeiten und Arbeitsgruppen zur Umsetzung des Friedensplans einsetzen.

** Quelle: dpa, FAZ.net, 12./13. Februar 2015

Abkommen von 2014: Regierung und Separatisten einigen sich auf Pufferzone ***


Bei dem fast siebenstündigen Treffen der Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk unterzeichneten die Konfliktparteien einen Aktionsplan für Frieden, der binnen 24 Stunden in Kraft treten soll. An den Verhandlungen nahmen Vertreter der ukrainischen und der russischen Regierung, der Separatisten und der OSZE teil. Der russische Botschafter in Kiew, Michail Surabow, sprach von einer Deeskalation in dem Konflikt.

Zwei Wochen nach Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine haben sich Vertreter der Regierung in Kiew und der prorussischen Separatisten auf die Einrichtung einer Pufferzone geeinigt. Beide Seiten müssten schwere Waffen um mindestens 15 Kilometer zurückziehen, sagte der ukrainische Ex-Präsident Leonid Kutschma. Damit werde eine demilitarisierte Zone von 30 Kilometern Breite geschaffen, die unter Aufsicht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen werde.

Weiter hätten die Konfliktparteien bei dem Treffen vereinbart, in besiedelten Gebieten keine schweren Waffen einzusetzen und die Sicherheitszone nicht mit Flugzeugen oder Drohnen zu überfliegen. Beobachtungsdrohnen der OSZE seien davon ausgenommen. Zudem werde verboten, bewaffnete Gruppen und militärische Ausrüstung in die Zone zu schicken, sagte Kutschma.

Die Verhandlungspartner einigten sich auch auf einen Rückzug sämtlicher ausländischer Kämpfer und Söldner. Kutschma zufolge sollen Beobachter der OSZE künftig die gesamte russisch-ukrainische Grenze überwachen. Nach Angaben des Vizechefs der Präsidialverwaltung in Kiew, Waleri Tschaly, wollen sich künftig auch die USA an Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland beteiligen.

Der wichtigste Punkt der Gespräche – der künftige Status der Rebellenregionen – blieb allerdings weiter ungeklärt. Über die Region Donbass werde erst später gesprochen, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko. Die Aufständischen fordern die Unabhängigkeit der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk. Die Regierung in Kiew schließt dies aus.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte den Separatistengebieten zuletzt für drei Jahre einen Sonderstatus mit Selbstverwaltungsrechten per Gesetz eingeräumt. Sachartschenko sagte, die Existenz eines solchen Gesetzes sei bereits eine Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Er sei zu weiteren Gesprächen bereit, sagte er.

Bei ihren Verhandlungen am 5. September hatten die Konfliktparteien eine Waffenruhe beschlossen, die allerdings brüchig ist.

*** Nach: Die ZEIT, 20.09.2014

Das Minsker Abkommen ****


Die OSZE gab nach den Verhandlungen vom 5. September 2014 Details des Minsker Abkommens bekannt.

Die Zugeständnisse der Ukraine an die Separatisten scheinen groß zu sein: Laut OSZE verspricht die Regierung einen Sonderstatus des Ostens und eine Amnestie für illegale Kämpfer. Zwölf Punkte enthält das am Freitag geschlossene Minsker Abkommen zwischen der ukrainischen Regierung und den prorussischen Separatisten. Darin haben beide Seiten weit mehr vereinbart als eine Waffenruhe – die bereits wieder gebrochen wurde – und einen Gefangenenaustausch, wie jetzt bekannt geworden ist. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die wie Russland an der Vereinbarung beteiligt ist, hat die Details des Abkommens veröffentlicht.

Besonders auffällig: Das Abkommen bietet den Separatisten weitreichende Zugeständnisse für die Neuregelung des Status der umkämpften Gebiete in der Ostukraine – allerdings keine Anerkennung ihrer im April proklamierten Volksrepubliken, die international nicht anerkannt sind. Der „inklusive nationale Dialog“ solle fortgesetzt werden.

Vereinbart wurde beispielsweise, „die Dezentralisierung der Macht in der Ukraine zu verwirklichen“. Dafür soll die Ukraine das Gesetz über die „vorübergehende Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in den gesonderten Kreisen der Donezker und Luhansker Gebiete“ annehmen. Damit würden die Regionen einen Sonderstatus innerhalb des Landes erhalten.

Auch würde es große politische, wirtschaftliche und kulturelle Selbständigkeit für die Anwohner bedeuten. Russisch als Amtssprache wäre dann wieder möglich. Die Kommunalwahlen sollen in diesen Gebieten vorgezogen werden.

Die illegalen Kämpfer und Militäreinheiten sollen zwar ukrainisches Gebiet verlassen, doch ein Amnestiegesetz bewahrt sie laut des Minsker Abkommens vor Strafverfolgung. Die Vertreter empfehlen, „das Gesetz über die Nichtzulassung der Verfolgung und der Bestrafung von Personen in Zusammenhang mit den Ereignissen zu übernehmen, die in einzelnen Kreisen der Donezker und Luhansker Gebiete der Ukraine geschehen sind.“

Weiter wird ein Programm des wirtschaftlichen Wiederaufbaus des Donbass und der Wiederherstellung der Lebensfunktionen der Region genannt. Zunächst sollen jedoch Maßnahmen zur Verbesserung der humanitären Situation in der Region ergriffen werden.

Das ukrainische Parlament soll in der kommenden Woche über die in dem Abkommen erwähnten Gesetze entscheiden – und damit über den Status der Donezker und Luhansker Gebiete. Präsident Petro Poroschenko muss wegen der in Minsk gemachten Zugeständnisse mit Kritik in der Volksversammlung rechnen.

[Das Parlament in Kiew verabschiedete noch im September das entsprechende Gesetz. Es sah allerdings einen auf drei Jahre begrenzten Sonderstatus vor sowie Kommunalwahlen nach ukrainischem Recht, was die Separatisten ablehnten.]

Derweil hatte der „Regierungschef“ der Volksrepublik Luhansk, Igor Plotnitzki, in Minsk bekräftigt, dass er auf einer vollständigen Abspaltung bestünde. Ähnlich äußerten sich andere prorussische Separatisten.

Unterzeichnet haben das Dokument die OSZE-Gesandte Heidi Tagliavini, der frühere ukrainische Präsident Leonid Kutschma,der russische Ukraine-Botschafter Michail Surabow sowie die Separatistenführer Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki.

Eine neu geschaffene Sicherheitszone in den Grenzkreisen der Ukraine und der Russischen Föderation soll die Arbeit der OSZE erleichtern. Ziel sei es, eine Waffenruhe auf Dauer zu etablieren.

**** Nach: Die ZEIT, 7. September 2014, ard-tagesschau.de: „Das Abkommen von Minsk“, 4.11.2014

Quelle: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Ukraine1/frieden5.html

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