Empörter Leserinnenbrief an die Presse zu Gaza

Ist es ein Zufall, dass Ihr Artikel kurz nach der Ankündigung durch die israelische Regierung, weitere 300 völkerrechtswidrige Wohnungen in der Westbank zu errichten, erscheint? Und ein paar Tage nach dem grauenvollen Brandanschlag mit Todesfolgen, ausgeführt von faschistischen Siedlern in der Westbank? Die Weltöffentlichkeit lehnt immer mehr das israelische Apartheidsystem und die Kolonialisierung Palästinas ab. Wollen Sie nun tatsächlich um Sympathie für die Siedlerfamilien werben??

Werte Redaktion!

Guten Tag, Frau Knaul!

In der Wochenendausgabe der Presse vom 9. August durften Sie einen Artikel über den 10 jährigen Jahrestag des Abzugs der israelischen Siedler aus Gaza veröffentlichen. (Link unten an)

Sie beschreiben in sympathisierenden Worten eine Idylle des vergangenen Siedlerlebens in Gaza, was die Siedlerfamilien dort nicht alles aufgebaut hätten und wie traumatisch der Rückzug aus Gaza für sie gewesen wäre. In diesem Zusammenhang sprechen Sie sogar von Vertreibung. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: mein Empören über diesen Artikel nahm von Zeile zu Zeile zu. Auf zwei Seiten Großformat haben Sie kein einziges Mal erwähnt, dass die Siedlerfamilien sich dort völkerrechtswidrig niedergelassen haben! Es ist nämlich – wie Sie sicherlich wissen – völkerrechtlich verboten, in besetzte Gebiete Siedler zu transferieren. Jeder einzelne Siedler, der nach der Eroberung Gazas sich dort niederließ hat damit illegal gehandelt. Israel hat sich im Friedensabkommen von Oslo 1995 zum Rückzug der Siedler aus Westbank und Gaza verpflichtet – 10 Jahre (!) hat es bis zum Rückzug aus Gaza gebraucht und in der Westbank hat die israelische Regierung in den letzten Jahren ihre Siedlungen entgegen dem Völkerrecht und dem Friedensabkommen vervielfacht.

Vergeblich muss man in Ihrem Artikel auch nach Worten suchen, die vom Terror der israelischen Siedler und der zu ihrem Schutz stationierten Soldaten erzählen, den diese über Jahrzehnte an der palästinensischen Bevölkerung verübt haben. Ebenfalls berichten Sie Ihren LeserInnen nicht über das errichtete Apartheidsystem in Gaza (und Westbank), welches den Siedlerfamilien zahlreiche Privilegien wie Baugenehmigungen, eigene Straßen, 40% Grundfläche für 9.000 Siedler, unbegrenzter Wasserverbrauch,…. und den einheimischen palästinensischen Familien Benachteiligung und Unterdrückung wie Checkpoints, Übergriffe, zu wenig Land, zu wenig Wasser, willkürliche Verhaftungen, Zerstörung, ….brachte.

Richtigerweise titulieren Sie Ihren Artikel mit Abzug aus Gaza – ein militärischer Begriff, der sehr gut zur Rolle der Siedler passt. Es handelt sich nämlich keineswegs um harmlose Siedlungen, wie wir sie aus unserem Umfeld kennen, sondern um strategische Wehrdörfer mit militärischer Funktion. Wenn einfache Menschen umsiedeln, würde man wohl kaum diesen Begriff verwenden.

Ist es ein Zufall, dass Ihr Artikel kurz nach der Ankündigung durch die israelische Regierung, weitere 300 völkerrechtswidrige Wohnungen in der Westbank zu errichten, erscheint? Und ein paar Tage nach dem grauenvollen Brandanschlag mit Todesfolgen, ausgeführt von faschistischen Siedlern in der Westbank? Die Weltöffentlichkeit lehnt immer mehr das israelische Apartheidsystem und die Kolonialisierung Palästinas ab. Wollen Sie nun tatsächlich um Sympathie für die Siederlfamilien werben??

An die Redaktion der Presse möchte ich appellieren, zum 10. Jahrestag in einer baldigen Ausgabe einen Bericht darüber zu bringen, wieviel Leid, Armut, Zerstörung die Siedler und ihre Soldaten in Gaza angerichtet haben.

Roswitha Al-Hussein

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4795817/Der-Abzug-aus-Gaza-Israels-Trauma?from=suche.intern.portal

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