US-Refugee welcome!
Prozess mit Signalwirkung: Verwaltungsgericht München verhandelt über den Asylantrag des Deserteurs André Shepherd
Von Markus Bernhardt und Sebastian Lipp, München![]() Einer, der einfach nein gesagt hatte: André Shepherd mit Demonstranten am Mittwoch in München
Foto: Tobias Hase/dpa
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Dutzende Aktivisten versammelten sich am Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht München, um ihre Solidarität mit André Shepherd zu bekunden. Sie demonstrierten anlässlich der Eröffnung des Verfahrens um den Asylantrag des US-Army-Deserteurs, der nicht länger gewillt war, in den Krieg zu ziehen. Bernd Mesovic von Pro Asyl verwies vor dem Justizgebäude auf die grundsätzliche Bedeutung des Prozesses angesichts aktueller Kriege: »Von dem Urteil wird eine Signalwirkung ausgehen.« Dem pflichtete Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection bei: »Unter anderem wird über die Rechtmäßigkeit der Kriegführung der USA im Irak und auch über das Recht von Soldaten, sich völkerrechtswidrigen Kriegen und Handlungen zu verweigern, entschieden.« Shepherd selbst gab sich »100 Prozent überzeugt«, dass er Recht bekommt. Spätestens in einer der nächsten Instanzen. Er sehe sich »als Mensch, der einfach nein gesagt hat«, sagte Shepherd. Offen ist, wann das Urteil kommt. Rechtsanwalt Reinhard Marx, sein Verteidiger, geht davon aus, dass sich das Gericht für die Entscheidung Zeit nehmen wird. Zunächst wurden gestern ausführlich Shepherds Beweggründe für die Desertion vor Gericht erörtert.
Der 1977 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio geborene Shepherd wollte sich nach seinem Einsatz im Irak-Krieg in den Jahren 2004 und 2005 nicht weiter an Kriegsverbrechen beteiligen. Damals wartete er in der Nähe von Tikrit »Apache«-Kampfhubschrauber. Obwohl er den Krieg als völkerrechtswidrig einschätzte und vermutete, dass die von ihm instand gehaltenen Hubschrauber in Kriegsverbrechen verwickelt sein könnten, verlängerte er seine Dienstzeit vor seinem zweiten Einsatzbefehl für den Irak. Am 21. April 2007 floh Shepherd aber aus der zum »Ansbach Army Heli Pad« gehörenden fränkischen Katterbach-Kaserne und tauchte in Süddeutschland unter.
Im November 2008 beantragte der Deserteur Asyl in Deutschland und berief sich dabei auf die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, mit der Personen geschützt werden sollen, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entziehen und als Konsequenz daraus mit Verfolgung rechnen müssen. Das Asylbegehren wurde jedoch im April 2011 abgelehnt. Dagegen klagte Shepherd. Das Verwaltungsgericht München sollte in der Folge über das Asylbegehren entscheiden, das Verfahren wurde jedoch aufgrund eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausgesetzt. Der EuGH urteilte im Februar 2015, dass Shepherd das Recht habe, als indirekt am Krieg beteiligter Mechaniker auf die Richtlinie zu verweisen, legte allerdings hohe Hürden für eine Asylgewährung fest. Die höchsten EU-Richter verwiesen erneut auf das Münchner Gericht, das nun zu entscheiden hat.
Für sein mutiges Handeln wurde Shepherd in Deutschland mit mehreren Preisen geehrt. 2009 erhielt er den Preis »Frieden aus Überzeugung« vom »Munich American Peace Committee« (MAPC). 2015 wurde ihm der Menschenrechtspreis von Pro Asyl verliehen. Sowohl die Flüchtlingsorganisation als auch der Verein Connection hatten neben dem Flüchtlingsrat Bayern, der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen und -gegner (DFG-VK) und dem MAPC zur Beobachtung des Prozesses aufgerufen.
Es dürfte indes außer Frage stehen, dass es sich im Falle des Irak-Kriegs um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gehandelt hatte. So hatte bereits der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan die Besetzung des Iraks als einen Verstoß gegen die UN-Charta bezeichnet.
junge Welt vom 17.11.16
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