»We are here to stay«

Aus: junge Welt Ausgabe vom 12.09.2016, Seite 4 / Inland

Kundgebung der Flüchtlingsinitiative »Lampedusa in Hamburg«: Forderung nach Arbeitsrecht und gesichertem Aufenthaltsstatus erneuert

Von Martin Dolzer
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Seit mehr als drei Jahren kämpfen Kriegsflüchtlinge aus Libyen und zeitweilig Tausende Unterstützer in Hamburg für ein Bleiberecht, hier auf einer Kundgebung im Juli 2014

Seit mehr als drei Jahren kämpfen die aus Libyen vor dem dortigen Bürgerkrieg geflüchteten Mitglieder der Gruppe »Lampedusa in Hamburg« nun schon um einen gesicherten Aufenthaltsstatus und das Recht zu arbeiten.

 

Am Samstag veranstalteten sie eine Kundgebung vor ihrem Informa­tionszelt, das sich seit April 2013 in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs befindet, und riefen zur Solidarität auf. Gut 400 Menschen nahmen daran teil.

Zum Auftakt spielte die Band »Schwabinggrad Ballett«, zu der zwei Mitglieder der Lampedusa-Gruppe gehören. Der Sänger sprach Oberbürgermeister Olaf Scholz (SPD) direkt an und forderte von ihm eine Lösung. Er warf dem Senat von SPD und Grünen vor, das Problem nach wie vor aussitzen zu wollen, und bekräftigte: »We are here to stay« (Wir sind hier zu bleiben).

Sammy O., ein Sprecher der Gruppe, berichtete, dass die geplante Verlegung des Aktionszeltes an einen anderen Ort nach konstruktiven Verhandlungen mit der Versammlungsbehörde und der Leitung des zuständigen Polizeireviers abgewendet werden konnte. Die Begründung für die ursprünglichen Pläne lautete, dass Hilfslinien für Blinde geschaffen werden sollten, damit diese leichter die U-Bahn erreichen können. Nun sei erreicht worden, dass das Zelt lediglich um etwa einen Meter verschoben werden müsse, um die Bauarbeiten zu ermöglichen.

Ambimbola Odugbesan, ein weiterer Sprecher der Gruppe, erinnerte daran, dass die NATO den Libyen-Krieg 2011 zu verantworten hat. Er war der Grund, weshalb viele aus anderen afrikanische Ländern stammende Arbeiter aus dem zerfallenden Staat flüchten mussten. Er erneuerte die Forderungen der Initiative und verlangte zudem eine angemessene Gesundheitsversorgung.

Weiter berichtete Odugbesen von einem versuchten Brandanschlag auf das Zelt am 28. August. Weil ein aufmerksamer Passant Aktivisten der Gruppe informierte, seien nennenswerte Schäden verhindert worden. Der Angreifer sei von Polizisten weggeführt worden. Man habe einen Anwalt eingeschaltet, um zu erfahren, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann eingeleitet wurde, erklärte der Sprecher. Eine ähnliche Attacke hatte es bereits im März 2015 gegeben. Am hellichten Tag hatte ein Neonazi versucht, das Zelt anzuzünden. Polizisten nahmen den Mann zwar mit, ein Verfahren gegen ihn verlief jedoch offenbar im Sand. Mit der Kundgebung wolle man auch ein Zeichen gegen »rassistisch motivierte Angriffe auf unser Zelt, gegen rassistische Kontrollen, Polizeigewalt und Übergriffe von Neonazis setzen«, sagte Odugbesan.

Im Umfeld des Zeltes kommt es immer wieder zu Kontrollen und vereinzelt auch zu Übergriffen durch die Polizei. So wurde Odugbesan selbst vor vierzehn Tagen in Handschellen auf die nächstgelegene Wache gebracht. Dort sollte er eine Zeugenaussage machen, nachdem er einen Streit in der Nähe des Zeltes hatte schlichten wollen. Auf dem Weg dorthin wurde ihm, obwohl er einen Asthmaanfall hatte, verweigert, sein im Rucksack befindliches Spray zu benutzen. Die Linke-Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider schilderte den Vorfall in einer Anfrage an den Senat: »Erst nachdem auf dem Kommissariat nach längerer Zeit seine Personalien festgestellt worden waren, sollten seine Handschellen entfernt werden.« Dabei habe ihm eine Beamtin durch deren Zudrücken massive Schmerzen zugefügt. Er habe deshalb ärztlich behandelt werden müssen, so Schneider.

Cornelia Gunßer vom Hamburger Flüchtlingsrat kritisierte auf der Kundgebung den Umgang der Bundesregierung, des Senates und der EU mit Geflüchteten: »Mehr als 35.000 Menschen starben an den europäischen Außengrenzen.« Diese Abschottungspolitik sei zynisch und menschenverachtend.

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