Kommentar zu Prozess gegen Gaza-Demo vom Juli 2014

Leserinnenbrief/Kommentar zur Berichterstattung in Kleiner Zeitung 14. Juni 2018, S.19 (unten an)

Ich als Organisatorin verwehre mich aufs Schärfste gegen die Darstellung der Demo „Wir alle sind Gaza“ vom 18. Juli 2014 in Graz, vor Gericht und in Ihrem Medium.

Die Steirische Friedensplattform wurde in Solidarität mit den PalästinenserInnen aktiv. Am 8. Juli, dem Beginn der Militäroperation, bombardierte die israelischen Luftwaffe 50 Ziele im Gazastreifen. Am 12. Juli verursachten die israelischen Attacken 25 Tote in 24 Stunden. Bis zum 14. Juli waren 1220 Ziele im Gaza-Streifen bombardiert worden, auch zivile Ziele wie Schulen und Krankenhäuser. Die Zahl der Toten erhöhte sich fast stündlich, die Bilder der unter Trümmern ausgegrabenen Kinder, verletzt oder tot, gingen um die Welt. Am 17. Juli startete das israelische Militär eine Bodenoffensive. Es war klar, dass dies noch mehr Opfer bedeutete.

Am 18. Juli organisierten wir diese Demo – aus Protest gegen das völlig unverhältnismäßige, brutale Vorgehen der israelischen Regierung. Wir waren Teil einer internationalen Kampagne. Friedensbewegungen auf der ganzen Welt, von Südafrika über Amerika bis hin nach Asien und in Europa und in Israel selbst hatten zum Protest aufgerufen. Ziel war, die Militäroffensive zu stoppen, um Menschenleben zu retten und einen Friedensprozess in Gang zu bringen.

Unserem Aufruf folgten 300-500 Menschen, darunter Frauen mit Kindern und Jugendliche, viele unter ihnen mit Migrationshintergrund. Die Empörung der DemonstrantInnen über die Bombardierung einer Bevölkerung, eingeschlossen auf einem Gebiet so groß wie Wien, ohne Fluchtmöglichkeit, war spürbar. Die Demo verlief ruhig bis zu dem Zeitpunkt, als wie aus dem Nichts vier Personen auftauchten, die lachend, Grimassen schneidend und Beschimpfungen gegen die DemonstrantInnen ausstoßend, die Fahne Israels schwenkten. Das war eine klare Provokation. Die wenigen anwesenden Polizisten stoppten diese Provokation nicht. Sie haben diese Personen nicht verfolgt, keine Daten aufgenommen. Die Polizei hat diese Personen auch im Nachhinein nicht ausgeforscht. DemonstrantInnen mussten selbst die Provokation beenden.

Anstatt diese Provokateure zu belangen, war die Exekutive und in weiterer Folge die Staatsanwaltschaft darauf aus, DemonstrantInnen als Übeltäter zu brandmarken. Es kam zur Anklage gegen einen jungen Ägypter. Die Absicht, für Frieden demonstrierende junge Leute zu kriminalisieren, wurde  beim Prozess offensichtlich. Staatsanwalt Winklhofer hatte es darauf angelegt, unbedingt einen Terrorbezug zu konstruieren und beschwor zu diesem Zweck Hamas bis Taliban in den Gerichtssaal. Der Richter ist dieser gespenstischen und absurden Elegie gefolgt.

Ich frage mich, welchem Welt- und Menschenbild diese beiden Staatsbeamten folgen. Ein Staatsanwalt hat die Interessen des Staates zu vertreten. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind hohe Güter. Wenn Rechtsverantwortliche keine Unterscheidung treffen können zwischen der legitimen Wahrnehmung dieser Rechte, nämlich unserer Demo mit dem Ziel des Friedenstiftens, und dem offenkundigen Missbrauch dieser Rechte, nämlich Auftauchen der Provokateure mit dem Ziel Ruhe und Ordnung zu stören, dann stehen mehrere Fragen groß im Raum. Zum Beispiel jene der Unvoreingenommenheit und der Neutralität und ganz groß die der Gerechtigkeit.

Das offenkundig einseitige Vorgehen der Staatsgewalt zu rechtfertigen mit dem Schutz vor Antisemitismus ist höhnisch. Gerade wenn muslimische MigrantInnen demonstrieren, wird der Antisemitismus heraufbeschworen. Das rechtsextreme und revisionistische Treiben einer Aula-Zeitung und das Umfeld ihres Betreibens wurden hingegen jahrzehntelang akzeptiert.

Die Demonstration der Steirischen Friedensplattform war gegen die israelische Militärmaschinerie gerichtet. Wenn eine Fahnenverbrennung stattgefunden hat, war sie Ausdruck der Wut der TeilnehmerInnen gegen diese gezielte Provokation und gegen die Politik des Staates Israel, der mit einer übermächtigen Militärmaschinerie die im Gaza-Streifen eingeschlossene Bevölkerung bombardierte.

Am 4. August zählte die UN 1814 Tote PalästinenserInnen. 72% davon waren zivile Opfer. Auch Israelis kamen ums Leben. Am 26. August wurde von 76 toten Israelis berichtet. 66 von ihnen waren Soldaten.

Jeder Tote ist einer zu viel.

Umso wichtiger sind Friedensdemonstrationen. Jeder Mensch, der sich daran beteiligt, hat einen Beitrag zum Weltfrieden geleistet. Er kann eine Antwort geben, wenn er von den Nachkommen gefragt wird: Und wo warst Du damals?

In welchem Licht wird wohl in diesen späteren Jahren die Kriminalisierung dieser DemonstrantInnen stehen? Diese Frage sollten sich Staatsvertreter und Journalisten besser heute schon stellen.

 

Helga Suleiman

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