Frauen in Schwarz und Kritische Jüdische Stimme antworten auf den Brief der Intendantin des Schauspielhauses

Frau Anna Badora
Intendantin
Schauspielhaus Graz
Hofgasse 11
8010 Graz
Sehr geehrte Frau Badora,
Vielen Dank für Ihre Mühe eine so ausführliche Antwort auf unseren Brief zu schreiben.
Obwohl wir mit mehreren Argumenten in Ihrem Brief voll einverstanden sind, möchten wir doch einiges dazu bemerken.
Man kann die Anschläge der Hamas (13 israelische Opfer seit 2000) verurteilen, sie sind aber niemals gleichzusetzen mit u.a. den ständigen Luftbombardements auf Gaza, oft mit chemischen Waffen, der Hungerblockade, jahrzehntelanger Abriegelungen, dem Massaker „Operation Gegossenes Blei“ (ca. 1450 palästinensische Opfer), ganz zu schweigen von den vielen Massakern, die immer wieder in Gaza stattgefunden haben.  Es ist eine ungleiche Auseinandersetzung auf allen Ebenen.
  • Daraus folgt, dass es nicht einseitig sein kann sich auf die Seite der Palästinenser_innen zu stellen, sondern ein Gebot der Gerechtigkeit!
  • Ein Stück über den Holocaust ist immer notwendig und gut, doch bedeutet das nicht, dass die Vertreibung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung darin thematisiert wurde.
  • Geht es nicht darum, zu einer völkerrechtswidrigen und menschenrechtsfeindlichen Politik klar Stellung zu beziehen, als politisch denkender und handelnder Mensch Verantwortung zu übernehmen, zu einer Politik und Geschichte, die durch Europa zentral verursacht wurde und das seit 1948?
  • Wir verstehen Ihren Absatz bezüglich Ungarn, aber kann die Politik in Ungarn mit den Geschehnissen in Israel und in den besetzten Gebieten verglichen werden?  Geht es in Ungarn um Machtübernahme durch eine rechte Elite, sind es in Israel Regierungen, die Krieg gegen einen Teil der Bevölkerung führen und deren Land rauben.
  • Es ist bezeichnend, dass Politiker_innen einem Theater verordnen, wo es zu spielen hat und gut, wenn dieses sich nicht vor den Karren spannen lässt.
  • Das bestätigt die Richtigkeit unseres Protestes, der sich gegen diese Politik richtet und von österreichischen Institutionen, ob künstlerisch oder akademisch, eine Auseinandersetzung mit der menschenrechtsfeindlichen Politik Israels einfordert.  Frieden kann nur einkehren, wenn alle daran mitwirken.  Das Grazer Schauspielhaus könnte es, wenn es eine Kooperation mit solch einer Politik klar ablehnt.
  • Boykott ist das Mittel der Wahl um die israelischen Politik zu einer Umkehr in ihrem Denken und Handeln zu veranlassen.  Eines der wenigen Mittel, mit dem wir in Europa einen Beitrag zum Weltfrieden und Gerechtigkeit leisten können.  Das Ende der Apartheid in Südafrika könnte uns als Beispiel dienen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Peter Melvyn
Kritische Jüdische Stimme (Österreich)
nahostfriede@gmail.com
www.nahostfriede.at
Paula Abrams-Hourani
Frauen in Schwarz (Wien)
fraueninschwarzwien@gmail.com
www.fraueninschwarz.at
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Es folgt ein Text der Friedensplattform:

Liebe Theaterfreundinnen und -freunde !

Wir alle schätzen die gute und professionelle Arbeit des Ensembles des Grazer Schauspielhauses. Gerade weil wir kritische Themen überaus begrüßen, möchten wir Sie auf einen Widerspruch aufmerksam machen:

Am 15. und 16. März wird es ein Gastspiel der Grazer Produktion „Boat People“ am Habima-Theater in Tel Aviv geben. In diesem Stück geht es um Menschenrechte und Flüchtlingsschicksale.

Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass israelische Regierungen seit Jahrzehnten systematisch die Menschenrechte der PalästinenserInnen verletzen und das Westjordanland widerrechtlich besetzt halten.

Israel entwickelt sich mehr und mehr zum Apartheid-Staat, in dem es z.B. den PalästinenserInnen die Benutzung vieler Straßen untersagt und eine jüdische Siedlung nach der anderen auf palästinensischem Boden errichtet. Dadurch wurden die Friedensverhandlungen von Oslo zum Scheitern gebracht und jede Möglichkeit für eine gerechte 2-Staatenlösung sprichwörtlich verbaut. Im Zuge der israelischen Neusiedlungen werden täglich palästinensische Dörfer und deren Lebensgrundlagen, wie Olivenbaumhaine, zerstört. Es ist dieselbe Vertreibungspolitik seit 1948, denn israelische Regierende wollen einen Staat mit mehrheitlich jüdischer Bevölkerung. Die PalästinenserInnen werden durch eine 760 km lange Mauer ausgesperrt, 24.000 palästinensische Häuser wurden seit 1967 von der israelischen Regierung zerstört.

Durch internationale Theaterprojekte möchte sich Israel mit künstlerisch- kritischem Image präsentieren.

Darunter soll die bittere Realität der PalästinenserInnen verschwinden, denn von ihnen ist freilich keine Rede.

Als Friedensplattform ist es uns zentral, für Frieden und gegen Unterdrückung überall auf der Welt einzutreten.

Wahrhafter Frieden ist nur möglich durch Gerechtigkeit.

Daher fordern wir eine Aufkündigung jeglicher Zusammenarbeit mit Israel, solange das Recht der PalästinenserInnen mit Füßen getreten wird!

Ein Protestschreiben der „Frauen in Schwarz“ (Wien) an das Grazer Schauspielhaus wegen dieser Kooperation wurde auch von der „Steirischen Friedensplattform“ unterzeichnet.

Weitere Informationen zum Thema:

http://www.friedensplattform.at (Abdruck des Protestbriefs)

http://www.fraueninschwarz.at

http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Israel

http://www.juedische-stimme.de

http://www.icahd.org (Israeli Committee Against House Demolitions)

http://www.youtube.com/watch?v=s8Mnp9wHTHo

(Hauszerstörung live)

Today the Palestinians cry out to the world and to God, saying:

How long, O God, will they steal our livelihood? Oppress, imprison and humiliate our people? Deprive our children of their childhood? Indeed how long, God, will the multitudes of Christians of the world ignore the anguish of our Palestinian sisters and brothers and all of the oppressed?

(Aus einem Solidaritätsschreiben südafrikanischer Bischöfe anlässlich der 8. „International Israeli Apartheid Week“ von 5.-11. März 2012)

http://www.bdssouthafrica.com


Kreuztragung von Erich Fried

Kreuztragung 1972

Eine Palästinenserin
mittleren Alters
nicht kenntlich an ihrem Gesicht
das ihr schwarzer Schleier verhüllt

aber kenntlich von weitem
an dem entwurzelten Baum
auf ihrer Schulter
geht langsam die Straße entlang

durch den Moshav
vorbei an den weißen Gipsköpfen
Jabotinskys und Golda Meirs
die ihn bewachen

Sie trägt ihren Baum
den ihr die Israelis
entwurzelt haben
als sie selber entwurzelt wurde

aus ihrem zerstörten Dorf
irgendwohin
wo sie hofft ihn pflanzen zu können
bevor er stirbt

Die Gipsaugen Jabotinskys
und Golda Meirs
starren den staubigen Weg an
und sehen sie nicht

Erich Fried

Der Moshav Dikla ist eine Siedlung politisch rechtsstehender Zionisten. Die Episode ereignete sich im August 1972. Die großen Büsten sind das Werk eines Moshavbewohners.


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