Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg.

Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen, in Ton, in Stein eingraben, überliefern. Was stünde da. Da stünde, unter andern Sätzen: Lasst euch nicht von den Eignen täuschen.“

Steirische Friedensplattform www.friedensplattform.at (aus Christa Wolfs Anti-KriegsErzählung Kassandra, 1983) Vorkrieg 1: Krise – Rüstung – Krieg Die Zusammenhänge sind altbekannt. Dabei ist es wichtig, hinter der Vielfalt von Einzelerscheinungen die großen Wirkmechanismen zu sehen. Immer wiederkehrend produziert der Kapitalismus schwere Krisen in Wirtschaft- und Gesellschaft. Im Zentrum des krisenhaften Systems steht die „Heilige Kuh“ des Privateigentums: die Produktionsmittel (große Finanzvermögen, Land, Fabriken, Maschinen). Sie befinden sich in den Händen einer kleinen Gruppe von Kapitalbesitzern. Sie haben die Möglichkeit die Arbeitskraft der Lohnabhängigen und die Ressourcen der Natur zu ihrem eigenen Vorteil so zu nutzen, dass ein Maximum an Profit entsteht. 1980 (Reagan, Thatcher) wurde die neoliberale Globalisierung forciert. Das international gehortete Finanzvermögen hatte soviel Macht, dass es die Politik beliebig vor sich hertreiben konnte. Der Wettbewerbsdruck auf die gewerblichen Selbständigen und die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen wurde verschärft. Heute leben wir in einer gespaltenen Gesellschaft mit einer gigantisch reichen Oberschicht, einer zerbröselnden Mittelschicht und einer immer größeren Unterschicht: Scheinselbständige, Arbeitslose und Teilzeitbeschäftigte. Die vom eigenen Abstieg Bedrohten grenzen sich gegen die bereits sozial Benachteiligten ab und diese wieder von den bereits sozial Ausgegrenzten. Die neue Welt(un)Ordnung Ab 2007, dem Beginn der letzten großen Finanzkrise wurden die Verluste von Banken und Finanzfonds wurden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Schulden der meisten Staaten stiegen stark an. Die gesellschaftliche Spaltung sowohl innerhalb der europäischen Nationalstaaten als auch zwischen mehr und weniger vermögenden Volkswirtschaften der EU nahm weiter zu. Noch Schlimmeres zeigt der Blick auf die Gesellschaften des globalen Südens. Hier führte der spekulative Casino-Kapitalismus schon seit den 1960er Jahren zu einer enormen Staatsverschuldung. Die aggressive Exportförderpolitik der Industriestaaten des Nordens führten zur massenhaften Verelendung und löste zunehmende Migrationsbewegungen aus. Ein eher kleiner Teil davon strebt nach Europa, schafft es aber oft nur bis an die Südküste des Mittelmeers. Tausende ertrinken jährlich im Mittelmeer. Regime wie jene von Saddam Hussein im Irak und Muammar Gaddafi in Lybien, die sich dem Diktat der kapitalmarktgetriebenen Politik des Westens nicht beugen wollten, wurden in Bürgerkriege manövriert und durch Militärinvasionen gestürzt. Im Jahr 1990 hatte George Bush sen. eine „Neue Weltordnung“ angekündigt. Tatsächlich entstanden ist eine von den westlichen Eliten orchestrierte Politik der „kannibalistischen Weltunordnung“ (Jean Ziegler). Die autoritären Problemlöser von Rechts In dieser Situation der tiefen Krise greifen wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Eliten in der EU zunehmend zu demokratiegefährdenden Herrschaftstechniken: Die weitverbreitete Verunsicherung und Angst wird thematisch aufgegriffen, verstärkt und im Sinne einer neuen autoritären Politik instrumentalisiert. Statt nüchternen Analysen werden verschleiernde Mythen unter das Volk gebracht. Wo klug differenzierende Solidarität notwendig wäre, werden nach dem Gut-Böse-Schema Feindbilder produziert (die „faulen“ Griechen, die „aggressiven“ Russen, die „terroristischen“ Muslime, die Flüchtlinge, die nur in „unsere soziale Hängematte“ wollen, etc.). Autoritäre Führerfiguren versuchen Macht zu gewinnen und lenken von den wahren Problemen ab. EU ist im Boot der Aufrüster Innergesellschaftliche Spannungen werden zunehmend nach au- ßen abgeleitet. Im Rahmen der „Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik“/GASP wurden seit 1993 nach und nach militärische Instrumente entwickelt, um die Beschaffung von billigen Rohstoffen und die Sicherung von Absatzmärkten in einem neokolonialen EU-Hinterhof gewährleisten zu können. Schnell einsetzbare Kampfgruppen („Battlegroups“) können in einem Umkreis von 6.000 km um Brüssel tätig werden. Der Verfassungsvertrag von Lissabon (2009) verpflichtete die Mitgliedsstaaten zur „schrittweisen Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten“ und schuf zur Effizienzsteigerung der nationalen Rüstungsprogramme die Einrichtung einer „EU-Verteidigungsagentur“. Seit der Wahl Trumps verstärkt sich der Drang nach einer gemeinsamen gro- ßen EU-Armee. Und neuerdings hört man aus polnischen Regierungskreisen und von deutschen militärpolitischen Vordenkern die Forderung, die EU möge sich eigene Atomwaffen beschaffen. Lange schon leben wir im Vorkrieg Und Österreich? Als Nicht-NATO-Mitglied mit einem kleinen Verteidigungsbudget und einer geringen Kriminalitätsrate spielte es bei dieser Art Krisenbewältigung bisher nur eine Nebenrolle. Aber Verteidigungsminister Doskozil und Innenminister Sobotka wollen sich damit nicht zufrieden geben. Bis 2020 haben sie die Aufstockung der Mittel für das Bundesheer um 896 Millionen und jene der Polizei um 625 Millionen Euro durchgesetzt. Zuvor in der Bevölkerung geschürte Ängste werden scheinberuhigt. Also schickt man zu „Abwehr“ von oft traumatisierten Kriegsflüchtlingen Soldaten an die ungarisch-serbische Grenze. Um Asylwerber bedenkenlos abschieben zu können, erklärt man Afghanistan zum sicheren Herkunftsland. Jenen, die man nicht abschieben kann, werden die existenzsichernden Mittel gekürzt und ihre Menschenrechte beschnitten. Man fordert Auffanglager in Nordafrika und engt die Aktivitäten der kritischen Zivilgesellschaft ein, indem man verstärkt überwacht und das Demonstrationsrecht aushöhlt. Positiv hingegen: Zusammen mit Irland, Mexiko, Nigeria, Südafrika und Brasilien startete Österreich in der UNO ein „Humanitäres Gelöbnis“ zur vollständigen Abrüstung der Atomwaffen. Sie wurde von einer Zweidrittelmehrheit der UN-Mitgliedsstaaten unterstützt, scheitert bislang aber am Widerstand der Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Israel und Nordkorea. Die Atomstaaten China, Indien und Pakistan enthielten sich der Stimme. Die nicht atomar bewaffneten NATO-Partner der USA folgten fast ausnahmslos der Vorgabe der westlichen Großmacht. Reims im September 1914 Vorkrieg 2: Die Aufrüstung fi ndet vor allem im Bereich der NATO statt! Im Kalten Krieg waren die Sowjetunion und ihre kommunistischen Vorhofregimes jahrzehntelang der Inbegriff des Bösen, das die „Freie Welt“ bedrohte. Als diese Regimes sich in den Jahren 1989/90 gewaltfrei aufl östen wurde auch der Warschauer Verteidigungspakt aufgelöst. Nicht aber sein Gegner, die NATO. Die weltweiten Militärausgaben sanken. Abgestimmt mit den USA versprach die Regierung Kohl-Genscher Anfang 1990 der damaligen sowjetischen Regierung, die Grenzen der NATO nicht nach Osten zu verlagern. Ab 1997 jedoch gliederte sich die westliche Allianz alle ostmitteleuropäischen Staaten von Bulgarien bis Estland ein und half ihnen bei der Stärkung ihres Militärs. Und heute sind in Polen und Baltikum NATO-Truppen direkt an der Grenze zu Russland stationiert. Da zudem die USA auch zahlreiche Militärbasen nahe an der russischen Südgrenze (etwa in der Türkei, in Georgien, Afghanistan und Pakistan) unterhält, fühlt die russische Führung sich betrogen und eingekreist. In der Folge setzte Putin seinerseits auf eine Stärkung des Militärs. Parallel dazu intervenierten westliche Militärallianzen in Afghanistan (2001) und Irak (2003) und stärkten damit die Gegenkräfte des Islamischen Fundamentalismus. Mit dem Zusatznutzen, dass man nun wieder ein zweites Feindbild hatte: den „islamistischen Terror“. Man „musste“ wieder rüsten und die Militärausgaben der NATO erreichten bald wieder das Niveau von vor 1990. Vorkrieg 3: Die Ukraine-Politik des Westens als Aufrüstungsmotor Mit dem Versuch der EU die Ukraine im Spätherbst 2013 mit einem Assoziierungsvertrag wirtschaftlich und politisch gegen Russland auf ihre Seite zu ziehen, wurden die Empfi ndlichkeiten Moskaus überstrapaziert. Die russische Annexion der Krim und der von Russland unterstützte Sezessionskrieg in der mehrheitlich von Russen bewohnten Ostukraine veranlasste das US-Repräsentantenhaus am 4. Dezember 2014 zu einer Resolution mit der es Präsident Obama auff orderte die USA „auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten“. Im Februar 2016 beschloss die US-Regierung die Mittel für die US-Truppen in Ostmitteleuropa zu vervierfachen. gesamt übertriff t die summierten Rüstungsausgaben von Russland und China um das Dreifache! All das erinnert an den Weg in den 1. Weltkrieg. Es gab ein Missverhältnis zwischen der großen Produktionskapazität der deutschen Wirtschaft und der beschränkten Massennachfrage auf dem deutschen Binnenmarkt. Das verstärkte die ohnehin vorhandenen gesellschaftlichen und politischen Krisenphänomene. Die Machthaber suchten den Ausweg in der Hochrüstung. Innerhalb von 13 Jahren wurden die Rüstungsausgaben nahezu verdoppelt. Expansionspläne wurden entworfen. Nach der Rüstung kam der Krieg. Vom Vorkrieg zum Krieg – Testlabore des 3. Weltkrieges Es ist wahrscheinlich nicht weit hergeholt, wenn man die derzeitigen (Bürger-)Kriege im islamischen Raum und in der Ostukraine als Frühphasen eines bereits vor sich gehenden 3. Weltkrieges bezeichnet. Deutlich wird an ihnen auch die kriegstreiberische Politik des Westens. z.B. Afghanistan: Um die sowjetischen Truppen aus Afghanistan zu vertreiben rüsteten die USA in den 1980er-Jahren die Widerstandsgruppen der Mudschaheddin mit modernen Waff en aus. Man erntete dafür eine Regierung der islamistischen Taliban und die Terrorgruppe Al Kaida. Der Herrschaft der Taliban bereitete eine USA-geführte Militärintervention im Oktober 2001 ein Ende. Das Land gilt heute als gescheiterter Staat. Ein Ende des (Bürger-)Krieges ist nicht absehbar. z.B. Irak: Saddam Hussein verfolgte das Ziel den US-Dollar als Verrechnungseinheit im Ölgeschäft abzulösen. 2002 bezichtigte US-Präsident George W. Bush das Land Teil der „Achse des Bösen“ zu sein. Es habe Massenvernichtungswaff en, unterstütze Vorkrieg 4: Die aktuelle globale Hochrüstung Seit 2014 steigen die westlichen Rüstungsausgaben deutlich. Entgegen dem Versprechen einer globale Abrüstung aller Atomwaff en den Weg zu ebnen beschlossen die USA noch unter der Präsidentschaft des Friedensnobelpreisträgers Obama eine Modernisierung ihrer Atomwaff en. Um die Fähigkeit zum vernichtenden atomaren Erstschlag sicherzustellen sollen bis 2025 dafür 350 Mrd. $ ausgegeben werden. Mit Trump schießen die Rüstungsausgaben nunmehr geradezu durch die Decke. Von allen NATO-Staaten fordert er jährliche Militärausgaben in der Höhe von 2 % des Bruttoinlandsprodukts. Großbritannien hat sein Atomarsenal bereits modernisiert und angekündigt, der Forderung Trumps entsprechen zu wollen. Deutschland gibt derzeit für seine Bundeswehr 1,2 % des BIP aus. Folgt es Trump, müsste es sein jährliches Militärbudget von 37 Mrd. auf ca. 70 Mrd. € erhöhen. Auch Chinas rüstet besorgniserregend auf. Aber in welchen Verhältnissen stehen die Militärausgaben tatsächlich zueinander? Die Antwort: Nur die EU-Staaten allein geben für das Militär derzeit soviel aus wie Russland und China zusammen. Und die NATO ins- Impressum: www.friedensplattform.at Rüstungsatlas Österreich. Unser Land ist natürlich kein großer Spieler im internationalen Rüstungsgeschäft. Dennoch tauchen auf Kriegs-Schauplätzen immer wieder auch österreichische Waff en auf, so etwa das Steyr-Sturmgewehr AUG bei verschiedenen Parteien des Bürgerkrieges in Syrien. Diese Waffen tragen dazu bei, dass Menschen fl iehen und bei uns Schutz suchen. Da es keine umfassende Zusammenschau der Waff enund Militärproduktion in Österreich gibt, hat sich die Steirische Friedensplattform zusammen mit vier anderen Friedensgruppen die Aufgabe gestellt diese Wissenslücke zu füllen. Eine spezifi sch steirische Recherchegruppe erhebt, wo in der Steiermark Rüstungsforschung betrieben und militärische Produkte hergestellt werden. Kontakt: franz.soelkner@thalbeigraz.at Alle Arbeit am Rüstungsatlas geschieht unentgeltlich. Dennoch fallen natürlich Spesen an, etwa für die Fahrten zu den österreichweiten Koordinationstreff en. Dafür bitten wir unter dem Kennwort „Rüstungsatlas“ um Spenden auf unser Konto IBAN: AT15 4666 0000 0005 2128. Palästina-Solidarität: Auch wenn der Dauerkonfl ikt zwischen Juden und Arabern um das historische Palästina derzeit von den Horrormeldungen über die Kriege in seiner Nachbarschaft überlagert wird, so ist eine Lösung dieses Konfl ikts für den globalen Frieden von großer Wichtigkeit. Die Initiative „Palästina Solidarität Steiermark“ sieht das Friedenshindernis vor allem in der ethnozentrischen Politik und völkerrechtswidrigen Siedlungstätigkeit Israels. Die Gruppe macht politische Aufklärungsund Solidaritätsarbeit für die Beendigung der brutalen und demütigenden Israelischen Besatzung. Kontakt: helga.suleiman@gmail.com terroristische Gruppen und bedrohe den Weltfrieden. Nichts davon entsprach den Tatsachen. Dennoch griff eine breite westliche „Allianz der Willigen“ unter Führung der USA das Land im März 2003 an, stürzte das Regime Saddam Hussein, entließ nahezu dessen gesamtes Offi zierschor und hinterließ einen ins Chaos gestürzten Staat. Einschließlich des nachfolgenden, entlang der Konfessionsgrenzen zwischen Schiiten und Sunniten ausgetragenen Bürgerkrieges verloren bis 2010 mindestens 108.000 Zivilpersonen ihr Leben, bis zu vier Mio. Menschen wurden in die Flucht getrieben. Geerntet wurden dafür die Terror-Truppen des Islamischen Staates, deren militärische Führung großteils aus Saddams gut geschulten Offi zieren besteht. z.B. Lybien: Ähnlich wie Saddam Hussein versuchte Muammar Gaddafi den ausbeuterischen Zugriff des Westens auf den globalen Süden zu lockern. Er versuchte, eine panafrikanische Allianz aufzubauen. Angeführt von Frankreich und den USA intervenierte 2011 eine westliche Militärallianz. Und hinterließ einen vom Bürgerkrieg zerrissenen „gescheiterten Staat“. z.B. Syrien: 1979 defi nierten die USA das Land als „Schurkenstaat“. Da aber das Regime außenpolitisch eine für den Westen berechenbare defensive Politik verfolgte, blieb es lange Zeit unbehelligt. Nach dem Ausbruch des zunächst friedlichen Aufstandes gegen die Assad-Diktatur Anfang 2011 und deren gewalttätige Jenseits der Täuschung: Angebote, sich konkret zu engagieren: Treff en der Steirischen Friedensplattform: Dienstag, 2. Mai, 18:00, Kulturraum Cuntra, Graz, Griesplatz 5.

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